Lovelace (2013) [Studiocanal]
Mutter (Sharon Stone) ist Hausfrau und ihr Vater (Robert Patrick) bei der Polizei. Gottesfürchtig und wohlbehütet wächst Linda (Amanda Seyfried) bei ihnen auf, bis sie als junge, heranwachsende Dirne, den etwas verruchten Chuck (Peter Sarsgaard) kennenlernt. Die beiden kommen sich näher, verlieben sich bald ineinander und entwickeln ein reges Sexualleben. Dadurch wird Linda offener gegenüber neuen erotischen Erfahrungen und erarbeitet sich ein ganz besonderes mündliches Talent. Da kommt es ihm und die Idee dieses Talent zu vermarkten. Er stellt sie einigen Geschäftspartnern vor, denn was Linda noch nicht wusste, ist dass ihr mittlerweile angetrauter Mann im Pornobusiness arbeitet, sie in einem Film auftreten zu lassen. So wird Linda die Hauptdarstellerin in der Pornokomödie “Deep Throat”. Der Film wird zu einem der profitabelsten Filme aller Zeiten und zum bekanntesten Porno überhaupt. Beinahe im Alleingang schaffte der Film es Pornographie auch in der normalen Gesellschaft salonfähig zu machen. Während es also so scheint, als wäre alles in ihrem Leben glatt gelaufen und sie darf sich jetzt auf ein Leben als großer Erotikstar freuen, die Wahrheit sieht allerdings ganz anders aus.
Niemand bekommt mit wie sehr Linda von Chuck gequält wird. Jeder Tag ihrer Ehe wird von Angst und Gewalt regiert. Sobald sie nicht tut was er will gibt es Schläge und als sie die Mitarbeit an den Pornos verweigern will, droht er sogar damit sie oder das kleine Kind ihrer Schwestern zu erschießen. Also macht sie alles was er will und lässt sich von ihm sogar an andere Männer verkaufen. Bis sie irgendwann den Mut findet weg zu laufen und ein neues Leben zu beginnen…
Der mehrfache Oscarpreisträger Rob Epstein und Emmy Gewinner Jeffrey Friedman haben sich gemeinsam daran gemacht die Geschichte hinter Linda Lovelaces großen Filmerfolg zu verfilmen. Im Gegensatz zur, ein paar Jahre alten, Dokumentation “Inside Deep Throat” von Fenton Bailey und Randy Barbato, arbeiten Epstein und Friedman Lindas Geschichte filmisch auf. So beginnt das Regieduo ihr Biopic “Lovelace” ziemlich gewieft mit der Sonnenseite von Lindas Jugend. Im Sturm erobert Chuck ihr Herz, sie haben tollen Sex und dank Deep Throat wird sie zum großen Star und schnuppert plötzlich die Luft der Highsociety. Sogar Sammy Davis, Jr. und Hugh Hefner darf sie kennenlernen. Alles scheint so toll zu sein und hier setzt der erste Kniff der Filmemacher ein. Genauso wie Linda damals, führt man auch die Zuschauer hinters Licht und erst wenn man von Geld und Erfolg geblendet ist bricht die Wahrheit über uns herein. Wer schon ein wenig Hintergrundwissen über den Kultporno mitbringt wird einiges darüber wissen was damals hinter den Kulissen vorgefallen ist. Wer etwas mehr darüber erfahren möchte, kann auch gerne mein Deep Throat Review lesen.
Mit der Wahrheit kommt das Geschehen des Films richtig ins Rollen, Zeitsprünge zeigen was wir zuvor noch verpasst haben und in der Zukunft sehen wir die etwas ältere Linda, die gerade ihre Enthüllungsbiographie geschrieben hat und mit ihrer feministischen Arbeit beginnt. Genau da endet der Film letztlich auch. “Lovelace” behandelt also die Zeit von ihrem ersten treffen mit Chuck, bis sie sich endlich traut sich wieder von ihm scheiden zu lassen. Durch dieses sehr eingegrenzte Kapitel ihres Lebens, ist es den Machern möglich gewesen aus dem wahren Geschehen eine kompakte und spannende Geschichte zu bauen. Dabei hält man sich weitläufig an das was wirklich geschah, ohne das es zu trocken wirkt. Jedenfalls erfindet man nichts dazu, lässt jedoch einiges unter den Tisch fallen.
Neben hartem Drama und viel Sleaze hat man zudem einige wirklich lustige Momente einbauen können. Dazu dienen vor allem alberne Momente aus Deep Throat und abstruse Dinge, wie zum Beispiel Chucks Hypnose Talent, das er aber wohl wirklich besaß. Durch die schlimmen realen Hintergründe der Sache bekommt dieser Humor immer wieder etwas sehr deprimierendes und makaberes, was viel vom Reiz des ganzen ausmacht.
Ansonsten lebt der Film sehr davon wie sympathisch Amanda Seyfried (Jennifer's Body) als Linda und wie unfassbar böse Peter Sarsgaard (Green Lantern) als Chuck ist. Bisher kannte ich die beiden leider fast nur aus grausigen Filmen, hier machen aber beide eine gute Figur. Herr Sarsgaard ist aber ohne Frage derjenige, welcher den Film zusammenhält. Gemeinsam mit einem coolen Soundtrack und dem glaubwürdigen Seventies Style, sind die beiden in der Lage den Film sicher in den Hafen zu bringen. Trotzdem gibt es noch einige weitere fähige Darsteller mit gekonnten Auftritten, die teilweise leider etwas kurz kommen. Da wären Sharon Stone (Total Recall), James Franco (The Ape), Eric Roberts (Das Kind) und Robert Patrick (Red Faction: Origins). Vor allem von Patrick hätte ich gerne noch mehr gesehen, da gerade er als Lindas Vater sehr gut funktioniert und dem Drama viel beizutragen hat. Aber auch Sharon Stone sollte der Applaus gelten für ihren Mut zur Hässlichkeit und ihrer vollkommen unglamourösen Rolle hier.
Trotzdem ist nicht alles so gut wie es sein könnte. Dramaturgisch gesehenen ist es nötig Details auszulassen und die Wahrheit manchmal etwas zu beugen. Schlimm wird es aber erst wenn man dadurch Dinge erheblich verändert. Zum Beispiel tut man hier so, als hätte Linda vor und nach DT keine Pornos gemacht. Dadurch wird zum Einem Zeit gespart, man muss nämlich weniger erklären, zum Anderen kann man Linda dadurch besser dastehen zu lassen. Gerade ihre ersten Filmchen mit sodomitischen Aufnahmen scheint man doch aus sehr berechnende Gründen rausgehalten zu haben. Linda hat sich über diese Aufnahmen auch diverse male widersprochen, wodurch Zweifel aufgekommen sind ob wirklich alles so passiert ist wie sie sagte.
Beim Großteil ihrer Geschichten besteht zwar für mich absolut kein Zweifel an dem Wahrheitsgehalt, aber einiges in ihren vier (ja wirklich vier) Autobiographien scheint doch etwas übertrieben um ihrem Kampf gegen die Pornoindustrie zu untermauern. Dann gibt es Szenen wie zum Beispiel die mit dem Lügendetektortest, der nur sinn machen würde, wenn man auch erwähnt hätte, dass sie sich in ihren ersten beiden Biographien nicht immer einig mit sich selbst war. Was die Herausgeber ihres dritten Buches “Ordeal”, zu deutsch “Ich packe aus!”, zurecht an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln lies. Solche Unstimmigkeiten verschweigt man hier völlig. Dadurch bleibt Linda bis zum Ende eine sehr reine Figur, was ihr so gut wie alle nicht so blendenden Facetten nimmt die, die reale Person inne hatte.
Nimmt man dieses Biopic also einfach nur als einen dramatischen Film mit schön viel Sleaze wahr, bekommt man einen fabelhaft gespieltes Drama mit realen Hintergründen geliefert. Wer allerdings die volle Wahrheit will muss sie woanders suchen.
Die DVD von Studiocanal macht rundherum einen guten Eindruck und bietet einen Haufen Extras. Zu sehen sind Interviews mit vielen involvierten Personen, ein Making Of, Behind the Scenes Material, die Pressekonferenz der Berlinale 2013, Original und US-Trailer, sowie eine Leseprobe aus “Ich packe aus!”
7 von 10 signierte Dilden