Special Agent Miller (Christoph Merian Verlag)
Er war noch ein kleiner Junge als die ersten Truppen der Wehrmacht durch Wien marschierten, aber schon einige Zeit vorher musste der österreichische Jude Alfred Müller unangenehme Begegnungen mit der örtlichen Hitlerjugend überstehen. Bald darauf floh er ganz alleine nach Palästina, woraufhin er seine Eltern nie wieder sah. In seiner neuen Heimat lies Alfred, mittlerweile unter dem Namen Chaim Miller bekannt, sich zum Kämpfer ausbilden und suchte mit seinen Kameraden auch noch nach Kriegsende nach ehemaligen hohen Tieren der SS und der Gestapo um sich an ihnen zu rächen. Heute ist Miller 91 Jahre alt, lebt in Israel, wo er mit Kindern, Enkelkindern und Urenkeln lebt und immer noch als Schlosser arbeitet. Gemeinsam mit Günter Kaindlstorfer und Andreas Kuba vom ORF geht er auf eine Reise in seine Vergangenheit.
Als reißerischer Aufhänger dieses Radiofeature dient Tarantinos Kinoerfolg “Inglourius Basterd” das die Wahrheit über die jüdischen Nazijäger und andere Partisanen wenig mit dem Film zu tun hat wird aber schon sehr schnell klar. Zuvor steht aber Millers langes und turbulentes Leben im Mittelpunkt. Dabei beginnt man auch chronologisch bei seiner Jugend in Wien, während einer Zeit in der, der Antisemitismus täglich krasser wurde, über seine Ausbildung beim Militär, dem verpassten zweiten Weltkrieg und einem darauffolgendem Rachefeldzug durch ganz Europa.
Dabei durchstreift Miller seine alte Heimat, besucht den Ort an dem einst der zionistische Jugendbund zu finden war und auch die Wohnung seiner Familie besichtigt er nach über 70 Jahren zum ersten mal. Dabei spricht er teilweise schon fast verblüffend nebensächlich von den Dingen die er erlebt hat. Für einen Mann, dessen Leben nur aus Flucht und Rache bestanden hat kann, scheint er sehr gut mit allem abgeschlossen zu haben was sein Leben bewegt hat. Dabei verpasst man es aber nicht auch darauf einzugehen, dass die jüdischen Kämpfer Nazis ohne Gerichtsverhandlung und Beweise töteten. Über die diskussionswürdige Natur dieses Rachefeldzugs ist man sich auch innerhalb der Miller Familie nicht einig und seine Enkelin hat zu dem Thema eine sehr reflektierte Meinung. Keine einfache Sache, wird hier aber klischeefrei und unprätentiös besprechen. Letztlich wird jeder Zuhörer eine andere Meinung zu dem Tun der jüdischen Kämpfer haben. Wirklich richtig erscheint ihre Rache einerseits nicht, andererseits wären wohl fast all diese Kriegsverbrecher ansonsten ohne Strafe davongekommen. Ob ihre Tötungen aber die Welt besser gemacht haben, sei dahingestellt.
Das Preisgekrönte Feature ist dank der charismatischen und mitreißenden Erzählart von Miller, die zum Glück nie verklärt und meist sehr direkt ist ein spannendes Zeugnis der Zeit und sehr wichtig. Neben einem wenig beachteten Teil des zweiten Weltkriegs erzählt man vor allem das persönliche Schicksal eines Mannes der damals das Tat was er richtig hielt, auch wenn ihn die Rache nie wirklich glücklicher machen konnte. Wem das Thema also interessiert, sei diese CD sehr zu empfehlen, denn abgesehen vom etwas blöden Untertitel gibt es wenig daran zu bemängeln.
8 von 10 Gletschertote