Mittwoch, 4. Juni 2014

America Swings (TASCHEN)

America Swings (TASCHEN)


Das Bild, das Medien und von Sex vermitteln ist ja gerne mal sehr, bis extrem stark verzerrt. Fickende Menschen sind in der Realität gerne verschwitzt, dabei unförmig, sehen albern aus, gucken komisch und beiweilen treffen auch paarungswillige Moppelchen aufeinander. Ist so, weiß jeder, kann man aber schnell vergessen in einer Welt, in der man sogar die Bilder von Damen retouchiert, die uns in der Joghurt Werbung entgegen glotzen. Nur in solch einer Zeit kann es zur Kunstform werden, Menschen so darzustellen wie sie wirklich aussehen. Stark von Fotokünstlern wie Richard Billingham und Nick Waplington beeinflusst bereiste, die studierte Dokumentarfotografin Naomi Harris aus Kanada, über einen Zeitraum von 48 Monaten Swingerpartys überall in den USA. Nur in Turnschuhen und mit dem Equipment ihrer Kamera ausgerüstet, besuchte sie wilde Thanksgiving Partys in Minnesota, eine Super Bowl Super Blow Party in Iowa, Halloween Geficke in Kalifornien und noch so manch andere wilde Sex Party, Rudelbumserei oder Geburtstagsgangbang.

Daraus entstand nun ein 256-seitiger Bildband mit den besten Schnappschüssen ihrer Arbeit. Hier zeigen sich normale Menschen, so normal, dass sie einem im Alltag meist nicht auffallen würden, beim Sex. Mal entspannt, mal in einer großen Gruppe oder einfach nur wild und versaut. Eins haben sie aber alle gemeinsam. Sie wurden von Noami so abgelichtet wie sie wirklich aussehen. Dabei wird nichts geschönt, Niemand nachgeschminkt und gestellt ist ebenfalls keines der Fotos. Dadurch entstanden teilweise wirklich ungewöhnliche und in ihrer Ungewöhnlichkeit oftmals sehr schöne Fotos. Da landet beim wilden Liebesspiel schon mal ein ekstatisch geschwungener Fuß im Napfkuchen oder eine Dame im Rollstuhl erwartet sehnsüchtig ihre geplante Begattung. Jedenfalls sieht man Sex nur selten so roh und schmucklos.

Natürlich werden die meisten, viele der gezeigten Personen für unerotisch und teilweise auch eklig empfinden, da sie medial genau darauf getrimmt sind, sieht man aber mit offenen Augen hin, entdeckt man in den Bildern sehr viel Schönheit und eine entwaffnende Ehrlichkeit. Es handelt sich meist im wirklich ausdrucksstarke Fotografien, die meist auch Geschichten erzählen und erkennen lassen was für ein Leben und einen Lebensstil die abgelichteten Personen führen.

Dieser Eindruck vertieft sich dann in den Erzählungen der Personen. Zum Auftakt wird Naomi Harris von Richard Prince interviewt und erzählt von ihrer Motivation und der Entstehung dieses Bildbands. Darauf folgen dann die Bilder, die immer wieder von Infotexten zu den einzelnen Swingerpartys und Gesprächen mit den Swingenden unterbrochen werden. Die Swinger lässt man dabei einfach reden. Sie erzählen über ihren freien Lebensstil und was sie daran oder sonst so im Leben beschäftigt. Teilweise wäre es schön gewesen wenn die Macher dabei ein wenig besser Regiegeführt hätten, denn so wirken ein paar der Erzählungen etwas formlos und zu wage. Andererseits spiegelt dieser Interviewstil die gleichen Charakteristika wieder wie auch die Bilder selbst. Also dann wohl doch ganz gut so.

Wie in vielen Büchern von TASCHEN findet man die Texte auf Englisch, Deutsch und Französisch vor, wobei ich sagen muss, dass die deutsche Übersetzung nicht immer die gelenkigste ist und vielleicht noch einen Feinschliff benötigt hätte. Zum anderen fand ich es meist ein wenig Schade, nicht genau sagen zu können wer der Interviewte auf den Bildern sein könnte. Vielleicht wäre es auch hier gut gewesen zu wissen mit welchen der abgelichteten Personen wir es zu tun haben. Andererseits liegt auch im Unbekannten wieder ein Teil des Reizes ihrer Geschichten und man kann nur raten und vermuten ob dieses Person es gerade war, die von ihren verrückten Erlebnissen erzählt hat.

America Swings ist ein interessanter, aufschlussreicher Bildband über das Swingerleben in den doch angeblich so prüden USA. Vom Konzept her hätte man ein paar Kleinigkeiten vielleicht anders machen können und die Texte hätten in der Übersetzung noch etwas besser sein können. Abgesehen davon gibt es aber nichts zu meckern und die Bilder von Frau Harris, die ja der maßgebliche Hauptbestandteil der Sache sind, sind fabelhaft und in ihrer Einfachheit teilweise schon ziemlich genial.

7.7 von 10 Leopardensexschaukeln