Sigmund Freud wird verdächtigt, eine Patientin vergewaltigt zu haben. Die junge Frau befindet sich im Wachkoma und spricht kein Wort. Die Staatsanwaltschaft führt die Ermittlungen gegen Freud und es mangelt nicht an Zeugen, die geneigt sind, gegen den Professor auszusagen. Da kommt Anna ein Verdacht: Ist ihr Vater Opfer einer Intrige, die sich aus Judenhass nährt? Zusammen mit Karl muss sie darangehen, Licht ins Dunkel zu bringen – das vermeintliche Opfer muss zum Reden gebracht werden.
Der sonst eher für die Aufdeckung und Verfolgung von Problemen und Missständen verantwortliche Sigmund Freud gerät hier in eine Situation, in der er selbst zu einem Angeklagten oder einem Opfer wird. Das Hörspiel baut sich strukturell auf einer Anhörung der Wiener Staatsanwaltschaft auf in deren Verlauf die Schuld oder Unschuld Freuds bewiesen werden soll um dann entsprechend eine Hauptverhandlung gegen ihn einzuleiten. Bemerkenswert an der Struktur ist die Gradwanderung aus Anhörungs- und Ermittlungsabschnitten (mit Gendarm Gruber und Anna Freud) und Abschnitten in der Retrospektive, die das Opfer in Gesprächen mit Prof. Freud darstellen. Solche Vor- und Rücksprünge innerhalb einer Handlung können besonders beim Medium Hörspiel zu Problemen führen, wurden hier allerdings gut platziert und sind merklich, beispielsweise durch leichte Halleffekte als solche zu erkennen. Auch in dieser Folge sind wieder die schon bekannten inneren Monologe des Psychiaters vorhanden, die einen in die Gedankenwelt von Freud versetzen und einen über dessen seelischen Umtreiben aufklären.
Hauptmotiv ist neben der eher juristisch statt psychologischen Herangehensweise, das Thema Antisemitismus und dessen Ausprägung in der damaligen Gesellschaft. Interessant eingebaut wurde hier, zu diesem ohnehin sehr prägnanten Thema, ein ‚Gastauftritt‘ von Freuds Schüler Carl Gustav Jung, welcher selbst zu seinen Zeiten unter dem Verdacht stand eine eher antisemitisch geprägte Denkweise zu vertreten. Neben den gelungen gesellschaftskritischen Ansätzen gibt es allerdings auch eine Schwäche in dieser Geschichte und diese ist dem Umstand zu Schulden, dass dem Zuhörer schnell klar ist wo die Reise hingeht und was wirklich hinter den Vorwürfen gegen den Professor steckt. Was der finalen Auflösung leider etwas an Prägnanz entzieht.
Ausgezeichnet fand ich diesmal die Sprecherbesetzung, sind in der regulären Serie schon gute Sprecher wie Andreas Fröhlich oder Peter Hallwachs dabei, so waren diesmal noch Lutz Mackensy, Marie Bierstedt und Matthias Klages teil des Ensembles, was dem ganzen noch einmal ein deutliches Plus an Qualität und Atomsphäre verleiht. Im Übrigen möchte ich hier noch kurz einigen Bloggerkollegen wiedersprechen, die meinten die Musik wäre zu laut und zu aufdringlich. Meiner Meinung nach war das keineswegs der Fall, die Musik war wie immer gutgewählt und passend platziert.
Alles in allem eine weitere gelungene Folge um den „Meister“ Psychiater Freud mit einer leider etwas zu durchsichtigen Geschichte.
8.5 von 10 menschenverachtende Denkweisen