Donnerstag, 7. November 2013

Kingdom Come (Panini)

Kingdom Come (Panini)

Dieser Sammelband enthält die gesamte Miniserie Kingdom Come #1-#4.

Die vielen Jahrzehnte seiner Arbeit haben Superman mürbe gemacht. Ihm wird immer deutlicher das Helden der alten Riege, wie er einer ist, nicht mehr Zeitgemäß sind. Die Leute wollen neue Helden, Helden die krassere Mittel einsetzen und nicht mehr so altbacken daher reden wie er. Da kam Magog gerade recht, der ähnlich stark wie Superman ist und nicht so viele ethische Bedenken bei der Verbrechensbekämpfung hat. Aus Metropolis vertrieben zieht Superman sich in seine Festung der Einsamkeit zurück, wo er ein Leben in einer Scheinwelt lebt, die aussieht wie die Farm damals in Smallville. Viele, viele Jahre lebt er dort vollkommen abgeschottet von der Außenwelt und nur Wonder Woman kommt ihn manchmal besuchen. Dabei entgeht ihm was in den vielen Jahrzehnten aus der Welt geworden ist. Magog wurde zum schrecklichen Despoten, der gemeinsam mit seiner neuen und skrupellosen Gerechtigkeitsliga brutal gegen Verbrecher vorgeht. Zuletzt eskalierte es schrecklich als er und einige andere Helden den schwer verletzten Parasite in die Enge trieben und er keine andere Möglichkeit mehr sah Captain Atom aufzuschlitzen. Dabei setzte er dessen radioaktive Kraft frei, was zu einer riesigen Atomexplosion führte, die den Parasiten, viele Mitglieder der Justice League und viele Millionen Menschen tötete und ganz Kansas bis auf weiteres komplett verseuchte und alles im Bundesstaat tötete.

Seitdem zieht Magog sich immer mehr zurück und da das große Vorbild der aktuellen Metawesengeneration sich so daneben verhält, drehen auch seine Nacheiferer vollkommen frei. Nationalistische “Helden” attackieren Immigranten und Flüchtlinge, andere feiern ausschweifende und zügellose Feste, während andere die Gewaltspirale immer schneller und heftiger drehen. Es wird immer klarer, dass dieses verhalten zu einem schrecklichen Ende führen wird. So erscheint Spectre, die Inkarnation von Gottes Rache einem alten Priester und zeigt ihm wie nahe die Menschheit vor einer selbst erzeugten Apocalypse steht. Es wird Zeit für die alten Helden wieder zu einem Vorbild zu werden, doch scheinbar können selbst sie nur scheitern und nicht einmal Supermans Rückkehr ist in der Lage die Welt noch zu retten.

Jeder, der sich mit Comics beschäftigt wird die Symbolik hinter Kingdom Come sehr schnell durchschauen. Nur zu offensichtlich ist es, dass Comic Zeichner Alex Ross seine Idee zu seinem kleinen Epos durch das Geschehen um ihn herum kam. Die ersten Ideen kamen ihm schon als er noch bei Marvel an der ebenfalls großartigen Miniserie “Marvels” arbeitete. Denn während er dieses zeitlose Stück Kunst erschuf und den vielen Jahrzehnten der Marvel Historie huldigte, wollten die Editoren und Käufer lieber coole Helden. Angeführt von Rob Liefeld begann eine Revolution bestehend aus Schulterpolstern, wahnsinnig großen Wummen, Augenklappen, Killernieten, großen Brüsten, sinnloser, nicht gerechtfertigter Gewalt und was die Neunziger in Punkto sequenzieller Kunst noch so definiert hat. Alles musste “Cool”, “Extreme” und “Radical” sein und Punkte wurden zu Ausrufezeichen. Man wollte dunkle Antihelden, die dem bösen mit aller Gewalt Einhalt gebieten und ihr Treiben endlich beenden. Nicht einen Batman der den Joker nach Arkham bringt, wo er sofort wieder ausbrechen kann. Zeigt sicherlich wie hoffnungslos und nihilistisch die Neunziger oftmals waren, gleichzeitig aber auch wie verdammt plump und unüberlegt. Die alten Werte zählten jedenfalls nicht mehr allzu viel und das Medium verlor endgültig seine Unschuld. Herrlich wie prätentiös das klingt.

Genau an diesem Punkt setzt Kingdom Come an. Magog wurde zum neuen Beschützer von Metropolis als er den Joker tötete. Schließlich war es Magog der es schaffte den Clown Prince of Crime aufzuhalten und zwar für immer. Batman und Superman waren dazu nie in der Lage. Was Superman dann aber aus Metropolis fliehen lies war gar nicht dieser Vorfall, sondern wie die Menschen damit umgegangen sind. Magog stellte man nämlich vor Gericht, doch man verurteilte ihn nicht für seine Tat, sondern erkannte ihn als einen noch größeren Helden an als noch zuvor. Für Freiheit und Gerechtigkeit schien kein Platz mehr zu sein. So scheiterten viele Helden in der Erzählung vom Zeichner, der bei der Handlung tatkräftig durch den DC Experten Mark Waid unterstützt wurde. Allan Scott verschmolz mit seiner Laterne, erbaute eine Smaragdstadt im All und herrscht einsam über sie. Aquaman lebt mit seiner Königin Dolphin in Atlantis und kümmert sich nicht mehr um das wahnsinnige Treiben über dem Wasser. Wonder Woman entrissen die anderen Amazonen die Krone, da sie nicht in der Lage war Frieden ins Patriarchat zu bringen, was sie wiederum zur Erkenntnis brachte sie wäre immer zu Sanftmütig gewesen, weshalb sie nun brutaler vorgeht. Flash ist keine wirkliche Person mehr, sondern viel mehr eine Entität, eine Idee, die durch seine Heimatstadt rast und jedes noch so kleine verbrechen im Keim erstickt. Ähnliches geschieht in Gotham und einigen anderen Städten der Erde. Bruce Wayne pocht weiterhin auf die Funktionalität von Angst wenn es ums Verbrechen bekämpfen geht. Einige seiner Nachfolger haben sich daher von ihm abgewandt doch er macht unbeirrt weiter. Gemeinsam mit seinem Batmen aller Nationen hat er einige Städte zu Polizeistaaten ausgebaut, die von den Batmen und seinen ordnungshütenden Robotern mit eiserner Klaue regiert werden. Und um die meisten anderen Helden steht es auch nicht unbedingt besser.

Durch seine Abneigung der neuen Comicwelle gegenüber kam Ross auf die Idee für Magog, ein biblischer Charakter der dem DC Universum das Armageddon bringen wird. Seine gestalt ist stark beeinflusst von den beiden, von ihm, meistgehassten Charakteren der Neunziger, nämlich Liefelds Cable und Shatterstar. Der alten Comic Symbolik nach kann es natürlich nur einen Helden geben, der das letzte Inferno aufhalten kann. Mal wieder kramt man also das Jesus/Superman Gleichnis heraus und macht daraus auch nie ein Geheimnis, wenn man den im Exil lebenden Kal gleich in seinem ersten Auftritt als hart arbeitenden Zimmermann zeigt. Klingt erstmal etwas platt, wird aber im Verlauf der Erzählung etwas tiefsinniger. Als Supe durch Wonder Woman erfährt, was in der Welt zur Zeit geschieht muss er einsehen das es kindisch von ihm war sich aus Trotz zurück zu ziehen. Wieder eine schöne Parabel auf die Comicindustrie, die auch heute noch wunderbar passt. Schließlich kann die Antwort der Künstler nicht sein die alten Charaktere düsterer und cooler zu machen nur weil es vielleicht bessere Verkaufszahlen bringen könnte. Viel mehr liegt es an den Künstlern neue Figuren zu erschaffen die zeitgemäß sind und gleichzeitig zu erklären warum auch eine alte Figur wie Superman immer noch Relevanz besitzt. Denn es ist die Veränderung der Werte, die all diese schrecklichen Dinge möglich gemacht hat. Manche Helden gaben einfach auf, andere gaben ihre Werte auf und halten die, die sie eigentlich beschützen wollen als Geisel und machen sich dadurch selbst zu etwas göttlichem oder stellen sich über jedes Gesetz und töten auf faschistoide Weise alles was nicht in ihr Weltbild passt. Bei diesem Punkt muss jetzt schon das Ende dieser Miniserie gelobt werden, dass es schafft sehr ausgewogen zu bleiben. Es gibt keine leichte Lösung für die Probleme der Menschheit, niemand darf auf die Gnade eines guten Gottes hoffen und auch die Helden werden weiterhin Fehler machen und sich schrecklich verhalten. Über 200 Seiten lang schauen allen beliebten Helden der DC Historie und ihren Nachfahren beim scheitern zu. Um so mehr sie zu versuchen alles besser zu machen, desto schlimmer wird das Ergebnis und immer mehr werden aus ihnen schreckliche Personen die auch gerne mal diktatorische, faschistische und totalitäre Mittel einsetzen um zu bekommen was sie wollen. Und es ist nicht so als würde dies alles unbewusst geschehen, Wonder Woman zum Beispiel merkt wie nahe sie sich am Faschismus befindet, sieht ihr verhalten aber als einzige Möglichkeit die Welt zu retten.

Der Plot bei der Sache ist wie folgt: Superman kommt zurück vertreibt die brutale Liga und reformiert die Alte nach ihren alten Werten, die aber sehr bald schon verwässern und spätestens dann nichts mehr Wert sind, als sie ein riesiges Gulag für alle Metawesen errichten, die sich nicht Supermans Version der Liga anschließen wollen. Egal ob Schurke oder Vigilant. Gleichzeitig bildet Bruce Wayne eine Revolutionäre Zelle, die teilweise kommunistische Formen annimmt. Die Ausrichtung geht letztlich aber doch eher in Richtung Polizeiapparat. Gemeinsam mit Oliver Queen, der dritten Black Canary und anderen menschlichen Helden versucht er noch zu retten was zu retten ist, während der geklonte Körper von Lex Luthor alt und fett geworden ist. Lex Luthor ist das Oberhaupt einer Organisation für die Rettung der Menscheit. Im Rat sitzen neben ihm noch der Vandal Savage, Eddward Nigma, Selina Kyle (die übrigens wieder ihr Kleid von 1940 in Batman #1 trägt) und Ra's al Ghuls Enkel Ibn Al Xu’ffasch, der Sohn vonn Talia und Bruce Wayne. Gemeinsam mit dem psychisch völlig verstörten Billy Batson, der schon lange nicht mehr das Zauberwort Shazam aussprach arbeiten sie an einem Plan alle Metawesen auszulöschen, wobei es durchaus ein paar Überschneidungspunkte mit Batmans Revolution gibt. Daran wird wieder erkenntlich wie kaputt und schrecklich alle Ideologien der verschiedenen Gruppierungen letztlich sind.

Als Leser nehmen wir eine Beobachtende Rolle ein und reisen mit dem alten Priester Norman McKay (designt und benannt nach dem dem Vater von Alex Ross und dem Erdenker von “Nemo in Slumberland“). Er wird am Ende noch eine große Rolle Spielen und wird vom Spectre von Schauplatz zu Schauplatz geführt, wo er all diese schrecklichen Momente miterlebt mit dem Ziel, das er als menschlicher Vertreter Gottes dem Spectre beim Eintreten des jüngsten Gerichts sagen kann wer nun ohne Schuld ist und es verdient weiter zu leben und wen die Rache Gottes ereilen soll. Es gibt für mich nur zwei Punkte die nicht perfekt sind an diesem Comicklassiker. Einer davon ist die beobachtende Erzählweise durch die Augen des Priesters. Zu bemüht und zu oft gesehen wirkt diese Art der Erzählung und mal wieder wird Spectre dazu benutzt eine Art Weihnachtsgeist für Mister Scrooge zu sein. Nur das es hier mal um den Fortbestand der ganzen Welt geht und nicht nur um einen mürrischen Mann an Weihnachten. Auch wenn es hier perfekt funktioniert, gerade das Treffen auf Deadman, sowie die fünf Entitäten des DC Universums, aber auch leise Momente wie ein kleiner Blick von Catwomans Katze, funktionieren wirklich toll. An manchen Momenten scheint aber diese Erzählweise Spannung und Dynamik rauszunehmen, die teilweise einigen Lesern fehlen dürfte. Jedenfalls störte ich mich früher einmal daran. Ein zweischneidiges Schwert also. Mein anderes Problem mit Kingdom Come ist die Manipulation von Captain Marvel. Es ist eine geniale Idee, sowohl von den Künstlern, als auch Luthor den kleinen Billy und sein heiteres Gemüt zu korrumpieren um ihn zu einer Geheimwaffe gegen die Metawesen zu machen. Auch gibt es unzählige kleine Anspielungen auf die Shazam Motive, deren Symbolik und Bedeutung, durch die, die Geschichte noch unheimlich viele subtile Nuancen bekommt, die man beim ersten mal sicherlich übersehen wird. Dann ist da aber der Plotpunkt mit dem Wurm und Billy, der dem Ganzen einen unrealistischen Drall verpasst, der nicht zum Ton der Sache passen will. Wäre es nicht viel dramatischer wenn Luthor ihn verbal, durch seine überlegene Intelligenz zu dem verstörten jungen Mann gemacht hätte? Vielleicht übersehe ich auch nur irgendwas oder verstehe eine Anspielung nicht richtig. Oder es geht nur um die Symbolik, dass der Wurm den perfekten Apfel verdirbt und ist somit wieder ein biblisches Motiv. Letztlich aber egal, bei mir hat dieser Punkt eher für Irritation gesorgt, egal wie oft ich die Geschichte lese.

Ansonsten gibt es kleinere Momente zwischen den Charakteren die vielleicht zu dezent sind. Flüchtige Blicke zum Beispiel zwischen Bruce und seinem Sohn, Andeutungen in Nebensätzen und ähnliches. Teilweise ist man für einige wohl zu kryptisch, andererseits kann man die Geschichte so oft lesen wie man möchte und entdeckt jedes mal was neues. Jedenfalls ergeht es mir so. Allein dass Ross acht Bonusseiten brauch um alle Anspielungen der jeweiligen Panel in Stichworten anzudeuten soll schon was heißen. Und wer die DC Historie liebt wird Mark Waid nach dem Lesen um den Hals fallen wollen. Egal wie abstrus oder wie lange her, Waid hat es geschafft eine Anspielung rein zu schmuggeln. Angefangen bei V for Vendetta und Watchmen, bis hin zu den Captain Marvel Serials und Facett Comic Nebenfiguren aus den frühen Dreizigern. Alles dabei, alles intelligent im Hintergrund verpackt.

Unfassbar ist dabei wie viele neue Figuren, meist Nachfahren der bekannten DC Helden in zweiter oder dritter Generation oder vollkommen neue Kreationen er sich ausgedacht hat. Darunter sind auch sehr viele Superhelden die er sich schon als Kind erdacht hat. Zu allen bekannten und unbekannten Charakteren der DC Welt kommen also noch locker 50 Eigenkreationen nur für diese Miniserie. Dabei sind einige Wesen die ich gerne mal wieder sehen würde, da ihre Prämisse ziemlich interessant oder andersartig ist. Zu nennen wäre da zum Beispiel das Chinesische Heldenteam oder Superschurken wie Von Bach oder Swastika. Hinzu kommt dann aber noch, dass er auch alle alten Helden neu designt hat oder sie zumindest vom Alter her anpassen musste. Eine krasse Leistung und ein mutiger schritt auch mal die Halbgötter der Comicwelt ergraut mit Falten zu zeigen. So gesellt sich zu Wids lexikarischen Wissen zum DC Universum noch der erhabene Fotorealismus von Alex Ross, dessen einziger Nachteil teilweise die fehlende Dynamik ist, die durch seine Gemälde artigen Panel manchmal verschluckt wird. Gerade in Massenschlachten macht dies sich bemerkbar, kann ansonsten aber durch intelligente Panel Arrangements kompensiert werden. Davon abgesehen sind seine Designs fabelhaft und ich habe nichts zu meckern. Altes wird wieder aufgegriffen, anderes parodiert oder mit einem Augenzwinkern versehen und sogar Kirbys vierte Welt und die neuen Götter kommen zum Einsatz und werden höchst schmeichelnd umgesetzt.

DC bringt diesen und somit einen der besten Comics der letzten Jahrzehnte in einer recht würdigen Form heraus. Ein Hardcover wäre zwar angebrachter gewesen (gibt es zwar auch, ist aber auf nur 333 Stück limitiert) aber das Paperback mit Klappcover tut es erstmal auch. Leider ist die Übersetzung nicht immer perfekt, aber es lässt sich verkraften. Dafür gibt noch über 130 Seiten Bonusmaterial. Ross zeigt auf diesen Zeiten Skizzen zu einer Vielzahl der Charaktere und erklärt die Hintergründe zu ihrer Entstehung. Dann gibt es wie gesagt noch Liner Notes, die einige Seiten sogar Panel für Panel erklären und zum Schluss wäre da noch eine Sammlung der Werbematerialien und Poster die für die Serie angefertigt wurden. Insgesamt also eine gute Edition um diesen Klassiker nach zu holen.

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