Steamboat Willie (1928)
Auf einem kleinen Dampffrachter treibt Binnenwassermatrose Mickey Mouse einigen Stumpfsinn. Seinem Captain Pete gefällt sein Schabernack aber gar nicht und verbannt ihm vom Steuer. Nun soll er eigentlich erstmal die Tiere auf laden, aber auch dabei macht er Blödsinn. In letzter Sekunde hilft er der süßen Maus Minnie noch aufs Boot. Sie hatte eigentlich eine Violine und die Noten für “Turkey in the Straw” dabei, doch eine Ziege frisst ihr beides auf. Doch Mickey lässt sich davon nicht von seinem Tun abbringen und plötzlich beginnt er den Bluegrass Song auf den Tieren zu spielen, die sie eigentlich transportieren sollten. Aber auch davon bekommt Pete Wind und kommandiert die freche Maus endgültig ab zum Kartoffeln schälen.
In den Zwanzigern war einiges los in der Welt des kurzen Animationsfilm. Felix the Cat absolvierte seine ersten Abenteuer und stritt sich um den Markt für süße Tiercartoons mit den ersten Shorts der Disney Studios. Zugleich präsentierten die Fleischer Brüder ihre ersten synchronisierten Cartoons. Auch davon bekam man bei Disney etwas mit und kombinierte die Tiercartoons mit den ersten Sprachversuchen der Cartoonfiguren. Ein Schachzug, mit dem man die beiden größten Konkurrenten ziemlich schnell hinter sich lassen konnte.
Nach kleineren Auftritten schaffte Mickey es mit Steamboat Willie seinen großen Durchbruch zu feiern. Vor genau 85 startete der etwas über sieben Minuten lange Short im Vorprogramm zu “Gang War”, wurde für viele der Zuschauer aber schon bald der Grund den Film überhaupt zu sehen. Und was aus der Maus geworden ist, wissen wir ja alle.
Zuletzt habe ich Steamboat Willie vermutlich vor beinahe 20 Jahren gesehen. So richtig konnte ich mich auch nicht mehr erinnern, abgesehen von dem Part, in dem Mickey sich mit Pete (Kater Karlo) kappelt. Wäre vielleicht auch besser so gewesen, denn eigentlich ist dieser Teil der einzig amüsante. Man muss dem Short ja ganz klar seine historische Relevanz einräumen, aber wirklich lustig ist es nicht. Der Hauptteil ist nämlich die Musiknummer “Turkey in the Straw” eines der vermutlich berühmtesten Bluegrass Stücke. Da die Ziege aber die Noten gefressen hat, beginnt die Maus aus der Ziege eine Drehorgel zu machen, danach tritt er auf eine Katze um aus ihr Töne zu holen, würgt eine Gans (weniger sexuell als es jetzt klingen mag) und piesackt kleine Ferkelchen und deren Mutter. Nebenbei wird dann auch noch ein Papagei massiv angegangen.
Fast der gesamte Humor dieses Kurzfilms generiert sich also aus Tierquälerei. Ist wirklich nicht lustig und ich wusste wirklich nicht das Mickey so sadistisch und schon beinahe diabolisch war. Eigentlich sollte man Karlo viel mehr Respekt zeigen. Zumindest versucht er sein bestes diese Geißel der Menschheit unschädlich zu machen. Meine Abneigung diesen Short kommt aber nicht daher, dass ich irgendwie empfindlich bin, sondern hat etwas mit der Art des ganzen zu tun. Tom & Jerry zum Beispiel tun sich in jeder Folge viel schlimmere Sachen an, aber diese Gewalt hat wirklich Pointen und ist klar als Cartoon Gewalt zu erkennen. Hierbei handelt es sich aber einfach nur um Tierquälerei und im Gegensatz zu Mickey, der ganz öffentlich eine Cartoon Maus ist, verhalten, reagieren und sehen die anderen Tiere wie echte Tiere aus, was die Gewalt gegen sie für mich sehr schnell total daneben wirken lässt. Ein anderes Problem ist, dass ich die Maus als Protagonisten dieser Geschichte akzeptieren soll, obwohl er von Beginn an böse ist und nichts tut um sich zu rehabilitieren.
Walt Disney war hier persönlich Regisseur anwesend, hat auch an der Geschichte mitgewerkelt und die “Stimmen” für Mickey, Minnie und den Papagei eingesprochen. Die Hauptarbeit hat allerdings Ub Iwerks verrichtet, der damals als schnellster Animationszeichner der Industrie bekannt war und gerne mal ein paar Hundert Seiten am Wochenende fertig stellen konnte. Er hatte auch schon vorher bei Disney gearbeitet und den Mickey Short “Plane Crazy” animiert. Dieser, der eigentlich erste Disney Tonfilm, verschob sich dann aber ein wenig und kam erst nach Steamboat Willie in die Kinos. Seine Arbeit hier ist solide, die klassischen Züge der heutigen Figuren sind ja immer noch recht nahe an dem was Ub damals entworfen hatte. Auch sind die Animationen flüssig und ein paar nette optische Ideen hat er auch mit eingebaut. Kommt natürlich bei weitem nicht an das ran, was die Fleischer Brüder damals schon auf die Beine stellen konnten, trotzdem eine solide Leistung.
Historisch wichtiger Short, an dem der Zahn der Zeit doch heftiger genagt hat als an vielen seiner Kollegen. Zu Mickeys Geburtstag kann man die sieben Minuten aber trotzdem mal opfern.
5 von 10 Rockzipfel Haken