Crossed #4: Badlands (Panini)
Dieser Sammelband enthält Crossed: Badlands #1-#9.
Eine kleine Truppe nicht Infizierter, kämpft sich durch den Norden der USA. Nahrung und Waffen sind Mangelware und seit geraumer Zeit werden sie von einer immer größer werdenden Truppe Gefirmter verfolgt. Jeder Tag ist ein Kampf und jeder kleine Fehler könnte das Aus für die gesamte Gruppe bedeuten. Sie werden aber immer wieder aufgehalten, denn eine junge Frau, Anya ist hochschwanger und steht kurz vor der Entbindung. Eine Entscheidung muss getroffen werden.
Ein Jahr nach der großen Infizierung, die die gesamte Menschheit in den Abgrund
gerissen hat, ist immer noch nicht klar was der Auslöser für das Phänomen der Gefirmten war. Genauso wenig hat man ein Heilmittel gegen die Krankheit gefunden, Staat und Militär sind unter ihrer Belastung schon vor langer Zeit zusammengebrochen. Unter den wenigen Überlebenden ist der einstige Familienvater Greg. Greg hat beim Ausbruch der Pandemie seine Familie im Stich gelassen und radelt mit seinem Drahtesel seitdem durch die entlegenen Ecken der USA. Dabei entdeckt er Steve. Steve ist eine ziemlich scharfe Ex-Soldatin, deren Spezialgebiet die Folterung von gefangenen war. Seitdem sie aus dem Irak zurückkam verdingte sie sich als Personenschützerin und dann brach auch einmal das Chaos über die Welt herein. Nach anfänglichen Reibereien verstehen die beiden sich doch ganz annehmbar, auf ihrer Reise bekommen sie es nicht nur mit den wahnsinnigen Kannibalen, Vergewaltigern und dergleichen zu tun, sondern auch mit einem monströsen Eber. Aber sie können mit zwei jungen Zwillingen und Leon, dem einzigen überlebenden eines total kaputten Redneck Lagers, eine kleine Gemeinschaft gründen. Doch dann wird Steve von Greg schwanger und der Überlebenskampf somit immer schwerer.
Der vierte deutsche Sammelband aus der Crossed Welt, beinhaltet die ersten Neun Hefte der Crossed: Badlands Reihe. Darin erzählt Garth Ennis, der das Franchise zwischenzeitlich an David Lapham abgegeben hatte, einzelne Geschichten der Überlebenden. Hier sind davon zwei abgeschlossene Storys enthalten. Beide handeln von einer Schwangerschaft und verdeutlichen, dass manche Menschen ihren Platz in der Menschheit verwirkt haben und selbst wenn sie noch nicht zu Gefirmten geworden sind, gehören sie durch ihre Taten schon lange zu diesem grässlichen Teil der Menschheit.
Bei Steve ist dieser Fakt wohl am deutlichsten zu sehen. Sie war eigentlich nur im Irak im Leute zu foltern. Zwar auch weil sie komische politische Ansichten hat, aber vor allem weil es sie geil macht zu foltern. Dabei sind durchaus auch kritische Töne in Richtung der US-Politik zu bemerken, vor allem das Thema Waterboarding wird sehr direkt angegangen, am Ende bedient sich Jamie Delano aber sehr auffällig an einer Symbolik, die dem Leser klar machen soll, dass als das Böse der Gefirmten auch schon vor der Infektion vorhanden war. Die Krankheit schaltet nur die Schranken im Hirn aus, die dafür sorgen das düstere Potential der Menschen zurück zu halten.
Genau die Thematik wurde jetzt schon einige male angegangen und wohl jeder Leser diese Kernbotschaft von Crossed lange verstanden. Darüber hinaus wird nur wenig angesprochen. Es geht immer wieder darum zu zeigen wozu Menschen in der Lage sind. Die Infizierten kitzeln es nur aus ihnen heraus und infizieren sie, durch die Taten zu denen sie, sie zwingen schon lange bevor sie die überlebenden kreuzigen. Ennis muss in den nächsten Arcs jedenfalls bessere Symbole als Babys und das instinktive Böse der Menschheit finden um seine Geschichte voran zu treiben. Denn neben der schon viel zu oft bemühten Gesellschaftskritik ist eigentlich nur die Kritik am amerikanischen Folterapparat neu. Alles andere haben wir so oder zumindest sehr ähnlich schon innerhalb der Serie gesehen.
Die erste der beiden Geschichten ist fast komplett uninteressant. Nur eine der Figuren hat Potential, das aber leider nie genutzt wird und dann stirbt sie viel zu früh. In der zweiten gibt es schon ein paar interessante Momente zwischen Greg und Steve, aber auch zwischen den Zwillingen und Leon bringt noch mal ein wenig Action in die Sache. Er ist eigentlich auch der einzige sympathische Charakter. Ein raffinierter Teenager, der mit seiner Familie und einigen anderen Meth Rednecks in einem gut gesicherten Fort lebt. Alle in seiner Truppe sind wahnsinnige Rassisten, Junkies und totale Inzestfans. Da Leon als cleveres Kerlchen nicht ganz zum bigotten Mob passen will muss er einiges einstecken, solange bis er das Meth mit dem Virus der Gefirmten streckt. Herrlich kaputter Typ, der in so außergewöhnliche Coming-of-Age Comics wie Morning Glories passen würde. Schade, dass er so unvermittelt ausscheidet. Von ihm hätte ich gerne noch mehr gesehen.
Aber auch in den guten Momenten hat dieser Comic ein gewaltiges Problem. Denn der Erzähler nervt ungemein. Jede Seite ist mit Backstory Monologen voll gequetscht. Diese sehr wortlastigen Captation Boxen drosseln nicht nur das Tempo ungemein, sondern sind vermutlich auch eines der schlechtesten Beispiele dafür, wie ein Autor mit möglichst wenig Fantasie und Geschick versucht seinen Figuren in möglichst wenig Zeit, möglichst viel Tiefe zu geben. Das Geschieht aber nicht durch Geschehnisse die uns die Tiefe der Figuren zeigen, sondern durch Boxen die uns Sachen sagen wie: “Ich habe viel erlebt. Zum Beispiel…” Äußerst ungeschickt, langweilig und oftmals auch ziemlich unnötig. Vieles davon hätte man dynamischer und realistischer in die Dialoge mit einfließen lassen können. Nicht jedes kleine Detail einer Figur, die eh nur für ein paar Hefte existieren soll, muss dem Leser bekannt sein. Oftmals helfen ein paar Geheimnisse sogar dabei eine Figur interessanter zu machen als sie eigentlich ist. Schließlich reimt man sich die fehlenden Stücke dann selbst zusammen. Hier bleibt für so etwas absolut kein Raum, alles wird einem vorgekaut und was nicht direkt sofort angesprochen wird, wird jedes mal nur sehr wenig subtil angedeutet. Kann Ennis sehr viel besser und wäre schade wenn Crossed nun auf diesem Niveau bleiben würde. Im übrigen ist nur Badlands von Ennis und der stärkere “Homo Superior” Arc stammt aus der Feder von Jamie Delano. Ennis weiß wohl nicht mehr so viel mit seiner Kreation anzufangen.
Jacen Burrows war für die Zeichnungen der ersten Story zuständig und liefert eigentlich eine ganz gute Arbeit ab. Emotionen können den Gesichtern abgelesen werden und auch die Gräueltaten werden heftig aber nicht zu reißerisch verbildlicht. Sein Nachfolger Leandro Rizzo geht da oftmals weniger zurückhaltend mit den Elementen Sex und Gewalt und gerne auch der Kombination von beidem zur Sache. An und für sich sind Rizzos Zeichnungen eh weniger fein als die von Burrows. Ist aber eigentlich auch nicht sonderlich schlimm, da das für Avatar typische Farbenspiel wieder fast nur aus sehr groben Texturen und eher plump eingefügten digitalen Effekten besteht.
So richtig warm geworden bin ich mit diesem Band nicht. Die beiden Storys haben gute Ansätze, daraus wird aber nicht unerwartetes gemacht. Zudem fehlt das Tempo und im direkten Vergleich zu Ennis erstem schockierenden Run und den wuchtigen Nachfolgern von Lapham wirkt dieses Trade sogar etwas brav, auch wenn es trotzdem eine der heftigsten Comicreihen der letzten Jahre bleibt. Leider nur Durchschnitt.
5,89 von 10 Alligatorlungen