Video Rewind - Videowoche im Wenkenpark 1984 / 1986 / 1988 (Christoph Merian Verlag)
1984 fand die erste Videowoche im Riehener Wenkenpark bei Basel statt. Eine ganze Woche lang stand der gesamte Park und die große Reithalle ganz im Zeichen der analogen Videokunst. Präsentiert wurden Kurzfilme und Kunstprojekte lokaler und internationaler Künstler, Installationen wurden errichtet, es gab Live Performances, es wurde diskutiert, man vernetzte sich und es gab Arbeitsgruppen und Workshops. All das war auch nötig und wurde in den folgenden Jahren gut angenommen. Schließlich war das neue filmische Medium nicht mehr unbedingt brandneu, von der Kunst aber noch nicht wirklich okkupiert. Da half diese bijährliche Veranstaltung sehr dabei eine lokale Baseler Videokunstszene zu etablieren. Bisher waren diese drei Festivals eher schlecht dokumentiert. In Zusammenarbeit einiger Kunstvereine, inklusive der Christoph Merian Stiftung, konnte man nun einige der Kurzfilme und teile der Berichterstattung für die Ewigkeit sichern.
Daraus entstanden ist nun eine DVD mit dem wohl dicksten Booklet seit langem. Das Buch ist 176 Seiten dick und enthält Kurzbeschreibungen zu allen vorgestellten Kurzfilmen, Live Auftritten, Workshops und anderen Projekten. Darunter auch jeweils die Programmhefte der Festivals, Kurzvorstellungen der beteiligten Künstler und ein Rückblick auf die damalige Szene und was diese Videowochen erreichen konnten. Enthalten sind ebenfalls 136, teilweise farbige Abbildungen, die einen guten Eindruck vom damaligen Geschehen geben können.
Viel wichtiger ist aber die beiliegende DVD, auf der sich insgesamt fast drei Stunden Material befindet. Natürlich können nicht alle Projekte in voller Länge wiedergegeben werden, aber die vielen Clips geben ein rundes Gesamtbild ab. Die experimentellen Filme sind dabei äußerst unterschiedlicher Form. Mit einigen Sachen davon konnte ich eher wenig Anfangen, da es scheinbar nur Kunst des Selbstzwecks wegen war, andere Videos lassen einen staunen darüber was man einfach nur mit einer Kamera und gänzlich ohne Spezialeffekte machen kann, wenn man nur an der Kamera auf eine Weise herumspielt, auf die es eigentlich nicht gedacht war. An anderer stelle werden einfachste Spezialeffekte und digitale Nachbearbeitung genutzt um ein besonders abstruses und krude aussehendes Filmchen zu kreieren. Der Großteil der Projekte sind in jedem Fall spannend und machen durchaus was her.
Meine liebsten Stücke sind ohne Zweifel das Musikvideo und die ebenfalls enthaltene Liver Performance der Avantgardepunx “Die tödliche Doris”, genauso wie die Live Vorstellung “Mike: An Amarican Aboard” von Michael Smith. Mit letzterem wurde auch ein Interview geführt, das zwar einerseits recht schrecklich ist, da sein Gesprächspartner Michaels Kunst nur auf seine eigene Weise interpretieren will und den Künstler dadurch in eine Ecke drängt aus der heraus kein wirkliches Gespräch mehr aufzubauen ist, gleichzeitig wirkt dieses unangenehme und fruchtlose Interview sehr ähnlich wie die satirische Live Show des Künstlers. Ungewollt großartig.
Die Bildqualität ist natürlich nicht die beste, schließlich hat man alles auf Band gedreht, was jedoch zum Look der Kunstwerke gehört. Spannend sind noch die wenigen erhaltenen Medienberichte des Schweizer Fernsehens, das oftmals auch nicht wusste was es mit der Kunst anfangen sollte. Ob man den Inhalt jetzt mag oder nicht ist jedem überlassen und 3 Wochen Kunst die über 6 Jahre verteilt wurden in nur einem kleinen Buch und einer DVD zu verpacken ist sehr schwer und in nur einem kleinen Review darüber zu urteilen viel zu oberflächlich und nicht möglich. Die Veröffentlichung ist aber sehr fein geworden und wird Interessierten sehr viele seltene Informationen und verschollene Kunstprojekte zugänglich machen. Einziger Kritikpunkt ist allerdings die unnötig komplizierte Navigation durch die DVD Menüs und die fehlende Abspiel Funktion für alle enthaltenen Videos. So muss man sich jetzt alle paar Minuten erneut durch die Menüs wurschteln.
6,5 von 10 sehr lange Klaviersaiten