Der gute Gott von Manhattan (Christoph Merian Verlag)
Er (Hanns Ernst Jäger) nennt sich “Der gute Gott von Manhattan”, doch die Taten des unscheinbaren alten Mannes sind schrecklich. Im Centralpark sucht er nach Liebespärchen die durch ihre Verliebtheit die Normalität der Gesellschaft in Gefahr bringen. So empfindet es jedenfalls der gute Gott. Deshalb lockt er diese Paare in kleine Fallen und sprengt sie in die Luft. Unterstützt werden seine feigen Taten von den Eichhörnchen Billy (Otwin Kühlhorn) und Frankie (Susi Aeberhard) die in seinem Auftrag Liebesbriefe an die Paare verteilen und somit auch die Situationen forcieren, die den guten Gott zu seinen Taten veranlassen. Nun wurde er aber von der Polizei gefasst und wird verhört und so erzählt er seine Geschichte und dabei auch vom Ende der Beziehung von Jan (Rainer zur Linde) & Jennifer (Gudrun Herms).
Wenn man es ganz einfach ausdrücken möchte, dann erzählt “Der gute Gott von Manhattan” davon was passiert wenn ein Partner durch irgendwelche Gründe an einer Beziehung zerbricht und letztlich alleine zurückgelassen wird. Um diesen Inhalt schrieb Ingeborg Bachmann aber eine Geschichte, angesiedelt in New York, die von einem alten einsamen Terroristen und seinen beiden blutrünstigen Eichhörnchen handelt. Klingt sehr merkwürdig, was es auch ist. Beziehungen werden hier in ihren verschiedenen guten und besonders den Schlechten Lagen vorgeführt, wobei Jan & Jennifer das Pärchen ist das wir begleiten, wobei einige sehr düstere Abgründe aufgetan werden. Die 100 Minuten, die auf zwei CD’s verteilt wurden sind keine leichte Zeit, sondern fordern dem Hörer durch die lyrische und oft verschwurbelte Erzählweise einiges ab. Nebenbei hören kann man den ollen Gott auf keinen Fall. Konzentration ist schon wichtig, da einige Szenen doch noch eine versteckte Ebene und subtile Symbolik haben, die man gerne mal bei ersten mal überhört. Mehrwert ist jedenfalls gegeben, denn wenn man mit dem Inhalt etwas anfangen kann, bekommt man etwas, worüber man noch länger nachdenken kann und beim einmaligen Hören wird es in dem Fall wohl nicht bleiben.
1971 hat Klaus W. Leonhard den Stoff fürs SRF als Radiohörspiel umgesetzt und so manches mal staunte ich einfach nur über die helfenden Eichhörnchen, die in dieser düsteren Prämisse erstmal wie ein Fremdkörper wirken. Wie aus einem B-Movie, aber unheimlich unterhaltsam. Merkwürdig ist allerdings, dass es trotzdem zusammen passt, auch wenn ich mir nicht genau erklären kann wie. Die Atmosphäre ist sehr eigenartig und vor allem beklemmend. Dabei haben wir es mit einer klassischen Tragödie zu tun, deren Protagonisten am Ende tragischere Figuren sind als die bekannten tragischen Paare der Literatur. Nur eben mit Eichhörnchen und Bomben. Auf jeden Fall mal was, was man so noch nie gehört hat und daher immer noch erfrischend anders, auch vierzig Jahre nach der Erstausstrahlung.
Die Sprecher machen allesamt einen guten Job. Am besten konnten mir Otwin Kühlhorn und Susi Aeberhard als Hörnchen gefallen. Zwar mag ich es eigentlich nicht wenn Sprecher ihre Stimmen so extrem verstellen, hier passt es aber ausgezeichnet. Gerade Susi Aeberhard legt sich dazu richtig ins Zeug. Nur anhand des sehr reduzierten Scores und den nur spärlich eingesetzten Geräuschen erkennt man das eigentliche Alter der Geschichte. Ansonsten wäre es auch Heute noch Up to Date.
Wer von seinen Hörspielen also auch mal gefordert werden möchte und sie nicht nur zum einschlafen hört, bekommt hiermit neues Ohrfutter. Wer aber generell mit ungewöhnlicheren Hörspielen und Radioproduktionen per se nichts anfangen kann, wird auch mit dieser ungewöhnlichen Tragödie nicht glücklich.
8 von 10 helfende Pfoten