Uzumaki #1 (Carlsen Manga)
Kirie sieht ihren alten Schulfreund Shuichi Saito nur noch selten, seitdem er die Schule in Kurouzu verlassen hat auf die sie gemeinsam gingen. Jetzt wo Shuichi das Treiben von Außen betrachten kann fällt ihm zum ersten mal auf wie merkwürdig das Dorf ist. Auch Kirie macht bald eine dieser Entdeckungen als sie Shuichi besuchen geht. Dessen Vater steht nämlich vor dem Haus und starrt ein Schneckenhaus an. Kurz darauf wird klar das er von Spiralen besessen ist. Jetzt wo Shuichi es ihr sagt fällt es doch sehr auf. Überall im Ort wimmelt es von Spiralen, Wirbeln und Strudeln und zwar auffällig mehr als es in der Natur und in der Stadt üblich ist. Bäume wachsen spiralförmig, das Gras dreht sich ein, die Locken der Mädchen ebenso und das Wasser ist voller Strudel, die wie aus dem Nichts entstehen. Die Obsession von Herrn Saito bringt ihn sogar einen grausam Tod, woraufhin seine Mutter eine Phobie gegen Spiralen entwickelt und daran Ebenfalls zugrunde geht.
1998 bis 1999 erschien Junji Itos Uzumaki Kapitel weise im Weekly Big Comic Spirits Magazin in Japan. Die gesamte Horroranthologie wurde kurz darauf in drei Sammelbänden veröffentlicht und auch auf englisch, spanisch und portugiesisch übersetzt. Anfang dieses Jahrtausends las ich die Trilogie auch schon zum ersten auf englisch und war hellauf begeistert. Seitdem sind knapp 10 Jahre vergangen und auf einen Deutschland Release warteten Fans bisher vergebens und das Obwohl sogar die Filmadaption schon lange hergebracht wurde und diverse male im Free-TV rauf und runter lieft. Und jetzt plötzlich fand ich den ersten der drei Bände in der aktuellen Carlsen Ankündigung wieder. Schöne Sache! Lieber spät als nie.
Und sogleich stellte ich mir die Frage. Seitdem ich diese Geschichte zum letzten mal las ist viel Zeit vergangen und ich bin doch ein Stückchen erwachsener als mit 16 Jahren. Wie wird der Horror also jetzt auf mich wirken und wie wird der Manga wohl gealtert sein. Nach dem Genuss des ersten Bands war klar, viel hat sich nicht getan. Stellt sich doch heraus, dass der Horror zeitlos ist. Die Gewaltdarstellung ist ziemlich graphisch, aber ohne plump oder blutrünstig zu wirken. Es ist viel Body Horror enthalten und trotzdem fließt nur einmal überhaupt Blut in diesem Band. Der Horror ist meist eher psychologischer Natur und schockiert eher selten. Dafür herrscht durchgängig ein beklemmendes Gefühl das an klassische Horrorstreifen der schwarzweiß Ära und Gruselgeschichten a la Lovecraft oder Poe Erinnert. Es ist eine Art des Grusel die man auch in vielen Jahren noch genauso verstehen wird wie jetzt oder vor 10 Jahren.
Das liegt zum einen daran wie der Horror funktioniert. Es gibt hier keinen Bösewicht, keinen alten Fluch oder sonst etwas was man bekämpfen könnte. Das böse steckt in einer Form und diese Form kommt bei jeder Pflanze vor und im Körper jedes Tieres, auch im All und ständig in der Natur. Wenn diese Form aber plötzlich feindlich erscheint gibt es nichts was man dagegen tun kann. Zu Beginn halten sich die Spiralen auch noch relativ zurück. Sie sind einfach nur da und werden zum Lebensinhalt von Herr Saito. Nach seinem Tot wird er verbrannt und der Rauch der dabei das Krematorium verlässt ist natürlich wieder spiralförmig und am Ende fällt die Asche in den kleinen Libellenweiher hinter Kiries Haus. Daraufhin entwickelt Frau Saito eine Spiralenphobie, wobei zum ersten mal klar wird, dass der Horror auch aus dem eigenen Körper entspringen kann, schlimmer aber noch, nicht nur erblickt werden kann die Form, sondern auch gefühlt. Denn sobald dir schwindlig wird, wird aus deinem Körper selbst eine Spirale.
Der andere sehr wichtige Faktor ist die optische Zeitlosigkeit. Schon allein vom Zeichenstil biedert Ito sich keinem zeitgenössischen Mangastil an. Es sind Einflüsse alter Meister zu erkennen, aber auch Düsterromantik spielt eine Rolle, genauso wie frankobelgische Comickunst. Zu sehen sind dabei nur wenige technische Geräte. Davon wie die Leute reden würde ich vermuten, die Reihe spielt in der Gegenwart, aber von der Inneneinrichtung, den Klamotten und allem anderen kann nicht festgemacht werden ob der Manga vor 50 Jahren oder Heute spielt.
Nachdem also beide Elternteile von Suichi Opfer der Spiralen geworden sind, fällt ihre Asche in den Libellenweiher. Die holt wiederum Kiries Vater aus dem Teich um daraus Ton zum Töpfern zu machen und so gehen die Kapitel irgendwie immer ineinander über, ohne sich gegenseitig aber zu sehr zu beeinflussen. Abgesehen von den Mehrteilern ist dadurch jede der Geschichte auch für sich allein zu lesen, wenn auch erst im miteinander eine große Geschichte entsteht, die durch die Spirale und Kirie zusammengehalten wird. Im ersten Band sind insgesamt sechs Kurzgeschichten zu finden, von denen fünf wirklich sehr gut und eine dann doch etwas komisch geworden ist. Letztere hat dann doch schon eine sehr japanische Einfärbung und ist eher typisch J-Horror, was aber auch nicht unbedingt schlecht ist, nur etwas aus dem Rahmen fällt und nicht ganz die selbe Wirkung entwickeln kann wie die übrigen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Menschlichkeit der beiden Hauptfiguren. Während Suichi unter den schrecklichen Ereignissen vollkommen zusammenbricht, versucht Kirie irgendwie mit dem Geschehen im Dorf klar zu kommen und für ihren Freund da zu sein. Dabei erblüht eine zarte Romanze und es fügen sich minikleine Coming of Age Elemente dem Horror hinzu. Optisch ist der Manga wie gesagt ganz große Klasse und sehr eigenständig und ungewöhnlich. Habe nichts zu meckern. Wer also den perfekten Manga für Halloween sucht ist an der richtigen Adresse. Das komplett schwarze Cover, das nur durch Erhebungen das Motiv sichtbar macht ist in echt übrigens noch sehr viel geiler als es virtuell den Eindruck macht.
8,9 von 10 anatomische Bilder