Der Todesstrahl (Reprodukt)
Seine Mutter ist tot, sein Vater ebenso, Omi auch und so wächst Andy ganz allein mit seinem Opa auf. Mittlerweile ist Andy 17 Jahre alt, schlacksig und vor allem unbeliebt bei seinen Mitschülern. Für ein Jahr lebte er mit Opi in einem anderen Bundesstaat, wo er auch eine Freundin kennenlernte, die er seitdem aber nicht mehr sehen kann. Daheim hat er nur einen Freund. Louie ist in seinem Alter und ebenfalls unbeliebt. Er hält Andy für einen Spießer und beginnt gerade in der Punkszene Fuß zu fassen. Um Andy cooler werden zu lassen soll er mit ihm zusammen rauchen, doch schon die erste Kippe zeigt merkwürdige Reaktionen bei dem schmächtigen Teenager. Es stellt sich heraus, dass er ebenso wie sein Vater Superheldenfähigkeiten bekommt wenn Nikotin seinen Körperdurchströmt. Mit diesen Fähigkeiten gibt es auch den sogenannten Todesstrahl, eine Waffe im fünfziger Jahre Science-Fiction Stil, die ihre Opfer spurlos vernichten kann. Wie jeder charakterschwache Teenager es machen würde, nutzt er diese Macht um sein Leben zu erleichtern und Leute aus dem Weg zu schaffen die ihm lästig sind.
Auf den ersten Blick durchlebt Andy in Daniel Clowes (Ghost World) neuestem Comicalbum “Der Todesstrahl” noch eine recht typische Coming-of-Age Geschichte. Die Voraussetzungen sind alle da und voll mit Klischees wie es eine solche Story verlangt. Außenseiter Teen, mit Außenseiter Kumpel, beide nicht hübsch, nur wenig Glück in der Liebe, ein tragischer Background ist vorhanden, keinen Plan von der Zukunft und so weiter. Ein wenig behält man diese Marschrichtung auch bei, sich herausstellt, was für Kräfte Andy hat. Sogleich stellt sich die Frage welche Dramen aus seinen Kräften entspringen werden, doch dazu soll es nicht kommen.
Ein wenig Drama ist nebensächlich zwar vorhanden, aber ziemlich schnell entwickelt sich aus dem Comic eine waschechte Superheldenparodie. Andy ist selbstgerecht und setzt seine Kräfte für viele banale und selbstsüchtige Zwecke ein, die er sich meist aber schön redet. Sympathisch kommt hier eigentlich niemand so richtig rüber und die Welt des Todestrahls vereinigt auf sehr nüchterne Weise das böse unserer Welt. Trotz der Album mäßigen 48 Seiten wirkt das Teil überraschend lang, was nicht heißen soll das es langweilig ist, sondern mehr daran liegt, dass es mitunter auch schon mal über 30 Panel auf eine Seite geschafft haben.
Überhaupt lässt Clowes diesmal die Pfoten meist von gängigen Seitenlayouts. Die Geschichte wird in einer Vielzahl von kleinen Episoden erzählt, die mal so lang sind wie ein Zeitungsstrip, aber sich auch über mehrere Seiten ziehen können. Zwischen den Kapiteln gibt es viele Zeitsprünge, die nur durch das Aussehen der Charaktere nachvollziehen werden können. Oftmals ändert sich von Kapitel zu Kapitel nicht nur die Kolorierung, sondern gleich der ganze Zeichen und Erzählstil. Einiges wird in Monologform erläutert, anderes in Form von Interviews oder wir beobachten einfach nur die Szenen. Am Ende steckt mal wieder sehr viel mehr in dem Hardcover Album im auffälligen powerpink als man zuerst erwartet hätte.
Todesstrahlen, zwei Ehen die für den Arsch wahren und ein alter Hund. Das Leben ist oftmals merkwürdig, sowie es Clowes Comics meist auch sind. Wer seine Comics eher ungewöhnlich mag beweist Mut und stellt sich mal ne schicke Farbe ins Regal.
8 von 10 Marschmusik LPs