Transmetropolitan #2: Der neue Abschaum (Panini)
Dieser Sammelband enthält die US-Hefte #13-#24 von Transmetropolitan.
Die Stadt ist immer noch scheiße und Gonzo-Journalist Spider Jerusalem hasst es hier weiterhin, wie man schon allein am Titel seiner Kolumne in der Zeitung “The Word” bemerken könnte. Eigentlich will er auch gar nicht in der Zivilisation sein, sein Vertrag verlangt aber noch Bücher von ihm und dafür musste er seinen Rückszugsort in den Bergen verlassen und zurück an den Ort gehen den er so hasst. Leider ist die Stadt auch gleichzeitig der einzige Ort an dem er Stoff für seine gesellschaftskritischen, aufrüttelnden und zivilisationsfeindlichen Texte finden. Während er sich noch versuchte wieder ins Stadtleben einzufügen, unter immensen Einsatz von Alkohol und Drogen versteht sich, vergraulte er sofort seine neue Assistentin Channon Yarrow, die vor ihn in ein Kloster geflohen ist. Ein wenig war aber sicherlich auch ihr Verlobter daran schuld, der sich in eine pinke Virenwolke verwandeln lies.
Zwar geht es Spider kein Stück besser, aber er findet sich in seiner urbanen Umwelt langsam wieder etwas zurecht. Seine ersten Kolumnen waren ein gigantischer erfolg und sogleich wurde er wieder zu dem alten Star der er einst war. Zur Zeit befindet er sich in einem neuen, sichereren Apartment, dass ihm sein Verleger Mitchell Royce vermittelt hat. Abgesehen von seiner zweiköpfigen Katze ist er aber total alleine und brauch daher eine neue Assistentin. Auch die neue Assistentin wird ihm von Mitchell vermittelt. Dabei handelt es sich um dessen Nichte Yelena Rossini, eine kleine zurückhaltende Gothdame. Diese Hilfe braucht er jetzt auch überaus dringend, denn es stehen die Präsidentschaftswahlen an. Die letzten Wahlen oder besser gesagt Spiders Berichterstattung dazu, waren auch der Grund warum er einst in die Berge ging. Jetzt muss er erst mal die politischen Geschehnisse der letzten Jahre aufholen und sich dann ins Wahlkampfgetümmel werfen. Yelena und er hören die Kandidaten mit Lauschgas ab und auch andere dreckige Tricks sind total das Ding des verdrogten Chaoten.
Zum zweiten mal gibt es 12 der 60 Transmetropolitan Comics in einem hübsch anzusehenden Hardcover Trade. Warren Ellis lässt seinen Antihelden nach den vorhergegangenen Strapazen erst langsam wieder auf Touren kommen. Seine Meinung zu den Wahlen ist ziemlich schnell klar. Es ist nicht lange her, als Spider dem amtierenden Präsidenten dem “Monster” den Darm mit seinem Darm Disruptor verdreht hat. Konkurrenten hat er nur im debil grinsenden “Smiler” und dem faschistischen Bob Heller. Beides keine wirklichen Alternativen, aber die Wahlhelferin der lächelnden Eidechse, Vita Severn, hat anscheinend einiges drauf. Trotzdem holt Spider über alle Teilnehmer dreckige Informationen ans Tageslicht und wird dadurch zum König des neuen Abschaums.
Seine Kolumnen bringen die “normalen” Bürger in die Elendsviertel der Stadt und zeigen ihnen somit was die amtierende Politik anrichtet. Er setzt alles daran, dass nur nicht noch mal ein faschistischer Herrscher an die Macht kommt. Sein Drogenkonsum erhöht sich in der Zwischenzeit aufs unermessliche, da es für ihm immer schwerer wird den Gestank der Stadt noch zu ertragen. Ellis hält dabei nie hinterm Zaun worauf er anspielt. Seine Zivilisationskritik ist gemein und zynisch, wirkt dabei oft übertrieben, trifft bei genauerem Hinsehen jedoch den Nagel auf den Kopf. Es ist klar woher seine realen Einflüsse kommen, wobei er jedoch nur selten so offensichtliche Parallelen zur Realität erkenntlich lässt wie bei den Parodien auf Tony Blair, Nixon und einige andere rechte Politiker und Ex-Präsidenten.
Neben all der Politik spielt Spiders Seelenwohl hier eine sehr viel größere Rolle als noch zuvor. Auch wenn er oft ein großes Arschloch ist, versucht er doch immer das Beste um die Wahrheit ans Licht zu bringen und um denen zu helfen die von der Gesellschaft vergessen oder verstoßen wurden. Er ist also trotzdem äußerst sympathisch und man fühlt mit ihm mit. Gerade wenn man dazu in der Lage ist sich in seine Sozialphobien hinein zu versetzen und seinen Hass auf alles und jeden zu verstehen, bekommt man schon einen Kloß im Hals wenn Jerusalem irgendwann kurz vor Weihnachten verzweifelt darum bettelt einmal im Leben nicht alles hassen zu müssen. Andererseits brauch er auch den Hass, der ihn und seine Arbeit antreibt. Ohne ihn wäre gar nichts. Seine Einsamkeit wird hier durch drei Damen unterbrochen. Einmal wäre da Callahans Wahlhelferin Vita Severn, zwischen den beiden entwickelt sich etwas und zum ersten mal kommt der Verdacht auf, auch Spider könnte ein glückliches halbwegs normales Leben führen. Allerdings endet auch dieser Funke Menschlichkeit sehr kläglich.
Die anderen beiden Frauen in seinem Leben sind Channon Yarrow und Yelena Rossini. Channon, die ihr Leben als Nonne hinter sich lässt, weil der Sex im Kloster einfach zu schlecht war kehrt zurück um Spiders Leibwächterin zu werden und Yelena, die nicht wirklich die Nichte des Verlegers ist wird zur neuen Assistentin. Im Laufe dieses großen Arcs wird mehr und mehr klar, dass die beiden was für ihn übrig haben und wenn es nur ein ekliger selbsterniedrigender Fetisch ist. Yelena hat dann sogar eine alkoholgeschwängerte Nacht mit ihm, was zu einigen unheimlich lustigen Momenten führt. Übrigens basieren beide seiner Begleiterinnen auf den realen Personen Deborah Fuller, einstige Assistentin von Hunter S. Thompson und dessen letzter Ehefrau Anita Bejmuk.
Aber egal an welcher Front, die Schreibe von Ellis (Fell) ist unheimlich stark und hat nur wenige Schwachpunkte. Natürlich muss man das extrem abgefuckte und kaputte dystopische Setting mögen, die derbe Sprache wird zarte Gemüter abschrecken und auch ansonsten ist der Comic teilweise zäh und kein Spaziergang, wer damit aber kein Problem hat bekommt eine großartig erzählte Science-Fiction Story, die unsere kaputte Welt und das worauf unsere Gesellschaft drauf hin arbeitet sehr gut parodiert. Wenn etwas kritisiert werden soll, dann nur, dass dieser Arc nicht ganz die schockierenden und aufrüttelnden Momente in der selben Schlagzahl vorzuweisen hat wie die erste große Geschichte. Auch sind ein paar Seiten etwas zu sehr mit Text überladen und die späteren Ereignisse werden nicht mehr so perfekt und subtil angekündigt wie noch zu Beginn. All das ist aber wirklich meckern auf höchstem Niveau und ändert nichts daran, dass es sich hierbei um einen der wohl besten Cyberpunk Comic überhaupt handelt.
Darick Robertson (Happy) betreut die Serie immer noch als Zeichner und kann dabei erneut punkten. Spider ist ein perfekt designter Charakter, den man auch unter hunderten anderen Comicfiguren immer wieder erkennen kann. Sehr herausstechend der gute Mann. Großartig ist aber auch wie er die verkommene Stadt darstellt. An jeder Ecke erkennt man den Schmutz und all die Sünde. Teilweise trieft der Dreck schon beinahe von den Seiten. Dabei fehlt es nie an den dazu nötigen Details. Jeder der Stadtbewohner ist eigenständig entworfen und hat einen spezielen Look, den nur er hat. Jede Straßenecke ist voll mit Feinheiten, wie Werbung, Graffitis und allem Ähnlichen. Nicht minder großartig sind die bunten, aber dennoch dunklen Farben von Nathan Eyring und nicht zuletzt sind es die toll konzipierten Cover von Stars wie Jae Lee (Before Watchmen: Ozymandias), Dave Gibbons (Aliens), Darick Robertson und Geof Darrow (Godzilla: Gangsters & Goliaths), die dem Comic zu seinem einmaligen Gesamtlook verhelfen. Weiterhin ne dicke Empfehlung!
9,4 von 10 fliegende Muschi-Leck-Maschinen