Freitag, 30. Mai 2014

Hip Hop Family Tree - Die frühen Jahre des Hip Hop 1970s-1981 (Metrolit)

Hip Hop Family Tree - Die frühen Jahre des Hip Hop 1970s-1981 (Metrolit)

Mitte der Siebzigerjahre waren in der South Bronx vor allem die Partys angesagt, auf denen DJ Kool Herc auflegte. Irgendwann stellte er fest, dass die Leute bei bestimmten Parts seiner Funk- und Soulplatten richtig abgingen. Er überlegte sich, dass es eine Möglichkeit geben müsste diese Parts zu verlängern. Also stöpselte er zwei Plattenspieler an ein Mixpult, legte zwei mal die selbe Platte auf und lies die geilen Tanzstellen einfach endlos loopen. Auf der Suche nach immer cooleren Breakbeats wurde das Auflegen technisch immer aufwendiger, weshalb er einen Freund darum bat Zeit zu überbrücken indem er die Meute ein wenig am Mikro anheizt. Hercs Technik wurde von Grandmaster Flash entdeckt und verfeinert. Dessen DJ Zögling, der kleine Grandwizard Theodore, entdeckt bald darauf eher zufällig das Scratchen. Auch die ersten erfolgreichen MCs (Master of ceremonies, weiblich: Mistress of ceremonies), wie Eddie Chiba und Casanova Fly kristallisieren sich aus der neuen Bewegung heraus. Einen Stromausfall in der Bronx und ein paar Plünderungen später, haben auffallend viele noch junge Crews ein überraschend gutes Soundsystem aufgefahren und retten mit ihren modernen und frechen Sound jede lahme Party. Kurz darauf starten bahnbrechende Crews wie die Sugarhill Gang, die Furious Five und die Funky 4+1. Hip Hop war geboren und nicht mehr aufzuhalten.

Soweit die ersten Tage dieser musikalischen Revolution. Und genau darum geht es in diesem Infotainment Comic von Ed Piskor. Sein Online Comic “Hip Hop Family Tree” erscheint wöchentlich auf Boingboing und soll ein monumentales Werk über die gesamte Geschichte des Hip Hops und all seiner Facetten werden. Die erste Phase, angefangen beim ersten Mixen der Breaks Mitte der Siebziger bis hin zu dem ersten Hip Hop Video auf MTV und dem endgültigen Mainstream Durchbruch 1981 ist nun auch in Deutschland als erster Band erschienen. Diese frühen Jahre schaffen es auf knapp 100 Seiten runtergebrochen zu werden.

Ich kenn mich mit Hip Hop nicht zu sehr aus, aber es scheint so als wäre Piskors Erzählung ziemlich lückenlos und ausführlich. Zwar ist jede Anekdote aufs wichtigste und nötigste reduziert worden, wodurch natürlich viele Feinheiten verloren gehen, dafür bekommt Piskor unheimlich viele Informationen auf wenig Raum unter. Einiges war mir dabei schon bekannt, noch viel mehr war mir aber völlig neu oder noch nie so bewusst. Jedenfalls habe ich viel gelernt. Wie aufschlussreich die Lektüre allerdings für jene ist, die im Genre bewandert sind, kann ich nicht sagen. Interessant ist das Album alle mal und Piskor scheint in dem Thema wirklich sehr bewandert zu sein.

Spannend ist übrigens auch, wie er auch Randbereiche der Szene erwähnt. So wird auch der Graffitikünstler Fred Fab 5 erwähnt und auch seine Verbindung zu Blondie, The Clash und den Talking Heads wird aufgezeigt. Genauso wie die frühen Teenager Zeiten eines gewissen Rick Rubin, ein weißer Punk mit wohlhabenden Eltern, der sich neben Punk und Hardcore und dem CBGB’s auch für die frühe Rap Bewegung interessiert. Seine Rolle ist hier noch sehr nebensächlich, aber wird in späteren Bänden noch sehr wichtig werden.

Das Artwork ist großartig und auch wenn Ed meint Rob Liefeld sei sein großes Vorbild was das Zeichnen angeht, ist sein stil ein gänzlich anderer. Das gesamte Album ist sehr Oldschool gehalten und erinnert stark an Comics der Siebziger Jahre. Passt perfekt und zwar nicht zuletzt durch die sehr stimmigen Farben, die dem ganzen auch einen etwas trostlosen, trotzdem bunten und urbanen Stil verpassen. Einziger Kritikpunkt ist das Lettering, dass sich nicht so richtig in den Oldschool Stil des Comics einfügt und die Übersetzung hat so ihre Probleme, was aber nicht unverwunderlich ist, bei Stoff der derartig von Slang durchzogen ist.

Als Bonus enthält der Band einige Pin-Ups anderer Künstler, sowie einen Index mit allen Künstlern, erwähnten Songs, den Ursprungsongs derer Breaks und Beats, sowie eine Bibliography von Eds Quellen. Sehr cool und hat mir schon dabei geholfen einige richtig gute Crews und Künstler zu entdecken, die mir vorher noch unbekannt waren. Zuletzt gibt es noch ein paar kleine Strips die sehr humorig Parallelen zwischen Comics und Hip Hop aufzeigen. Für Raps Fans ein muss und alle interessierten Comicleser sollten auch unbedingt einen Blick drauf werfen.

Ed Piskor ist übrigens auch vom 19.-22. Juni auf dem Erlanger Comicsalon anzutreffen.

8,7 von 10 nicht ganz so zufällige Stromausfälle