Misfits - Staffel 4 (2012) [Polyband]
Vor kurzen erst schieden ein paar Strafarbeiter des Gemeindezentrums aus. Rudy (Joseph Gilgun) und Curtis (Nathan Stewart-Jarrett) müssen allerdings nicht lange alleine Hundescheiße aufsammeln und Graffitis entfernen. Schon stehen zwei neue Querulanten auf der Matte. Da wäre einmal der schmächtige Finn (Nathan McMullen) und die leicht reizbare Jess (Karla Crome). Gleich ihr erster Arbeitstag lässt für sie offensichtlich werden, in was für einen Wahnsinn sie geraten sind. Denn während Kelly als Raketenwissenschaftlerin Landminen in Uganda entschärft, bekommen Rudy und Curtis immer noch fast wöchentlich mit neuen Katastrophen zu tun, die entweder mit ihren oder den Fähigkeiten anderer Leute zusammenhängen die ebenfalls dem ominösen Sturm ausgesetzt waren. Ihre Überlebensfähigkeit wird sofort auf die Probe gestellt, als ein unbekannter Mann in das Center stürmt und einen Aktenkoffer voller Geld an die Hand gekettet hat. Schon bald kennt keiner der Jugendlichen weder Freund noch Feind und ein erbarmungsloser Kampf um die Kohle beginnt.
Und so nimmt die vierte Staffel der Misfits seinen Lauf. Zuerst muss man sich erstmal wieder in die Welt voller unnützer Superheldenfähigkeiten und kruden Jokes einfinden. Vieles hat sich in der Zwischenzeit getan und nicht alles davon wird hat was mit der eigentlichen Federführung der Serie zu tun. Nachdem zwei der Hauptfiguren am Ende der letzten Staffel ausgeschieden sind, kennen wir in den orangenfarbenen Overolls nur noch Curtis und Rudy. Eigentlich wäre da aber noch Lauren Socha gewesen, die die Asibraut Kelly spielt. Zwischen dem Ende der dritten und der vierten Staffel wurde sie allerdings auch in der Realität zu Knast und Sozialstunden verdonnert, nachdem sie 2011 einen pakistanischen Taxifahrer gewalttätig angegangen ist und danach mehrere Minuten lang auf rassistische Weise beschimpft hatte.
Grund genug für die Macher sie kurzerhand aus der Serie zu schmeißen, auch wenn es von offizieller Seite aus heißt man hätte sie schon vorher aus der Serie geschrieben. Man verliert auch nur 2-3 Nebensätze darüber was aus ihr geworden ist. Und zwar setzt sie ihre Fähigkeiten als Raketenwissenschaftlerin nun ein um Tretminen im kriegsgebeutelten Uganda zu entschärfen. Auch ihr Freund Seth (Matthew McNulty), der in der vorherigen Staffel noch dafür zuständig war die Kräfte der Misfits neu zu verteilen verlässt die Crew nach zwei Episoden. Sein Charakter war ja von Anfang an recht unbestimmt geschrieben und so wirklich interessant war er zu keiner Zeit, hier ist er aber nur noch öde und geht auf sehr unspektakuläre und enttäuschende Art und Weise.
Dann ist da noch Curtis. Als einziger vor der Kamera war er noch aus der Originalcrew übrig und auch er geht nach ein paar Folgen endgültig. Der Handlungsbogen der ihn aus der Serie räumt ist zwar ganz nett gedacht und technisch super umgesetzt als Neo-Noir-Thriller im ranzigen Misfits Stil, kann aber nicht die Emotionalität erreichen die man sich eigentlich wünschen würde. Eigentlich ist die tragische Liebesgeschichte um Lola und Curtis ganz nett, nur passt sie irgendwie vom Gefühl her nicht zum Rest der Serie und wirkt ziemlich langatmig und zu trocken. Lucy Gaskell (Lesbian Vampire Killers) gibt dabei eine glaubhafte Femme fatale, mit wenig greifender Backstory ab. Am schlimmsten ist daran eigentlich, dass dem Ende von Curtis der nötige Rahmen fehlt. Es ist nämlich Niemand mehr da der um ihn trauern kann. Schließlich kennt nur Rudy ihn und auch der erst seit einer Staffel.
Oftmals scheint die Zeit zu fehlen um den Glanz früher Tage reproduzieren zu können. Um die feine und in anderen Serien nur selten zu findende Mischung aus Drama und Fäkalhumor ist es wichtig den Figuren mehr Tiefe zu geben und gleichzeitig ist es wichtig, dass sie sich besser kennen. Denn nur so können sie sich die Bälle gegenseitig zuspielen und den Humor am Leben halten. Über längere Strecken ist es hier Joseph Gilgun der ganze Kapitel vollkommen allein aus dem Graben zieht. Seine schauspielerische Reichweite ist teilweise ungeahnt breit gefächert. Vor allem wenn in dieser Staffel eine dritte Persönlichkeit für ihn hinzugefügt wird und später wenn er sich zum ersten mal wirklich verliebt, zeigt sich erst was für ein guter Darsteller er ist. Zugleich ist er aber auch wahnsinnig komisch und ist in der Lage dazu den krudesten Witzen doch noch irgendwie so etwas wie Klasse zu verleihen.
Neben Rudy werden die anderen Figuren zusehend blasser, auch wenn Karla Crome als Jess durch ihren sehr trockenen Humor einen guten Gegenpol zu all dem geistigen Dünnschiss der anderen bietet. Zum anderen wäre da noch Finn, gespielt von Nathan McMullen der die meiste Zeit als Boxsack für die anderen dabei ist. Allerdings nicht auf dramatische Weise, wie einst noch Simon, dessen Darsteller Iwan Rheon mittlerweile Game of Thrones unsicher macht, sondern gerne mal mit viel Slapstick. Die Fähigkeiten der beiden sind übrigens, dass Jess durch Wände sehen kann, während Finns Telekinese genauso unnütz wie sein ganzer Charakter ist. Seine geistige Kraft reicht nämlich nur aus um kleinere Dinge umzuschubsen. Dabei finde ich Finn gar nicht mal so schlecht, er funktioniert als Randfigur und gerade seine Suche nach seinem wahren Vater ist unfassbar lustig. In eben dieser Folge funktioniert die Mischung aus Drama und Comedy sogar perfekt und verbindet sich mit einer starken Botschaft über Heimpflege und Sterbehilfe.
Matt Stokoe ist als Alex ebenfalls ein Neuzugang, seine Verbindung zum Gewitter bleibt lange unklar und dient eher als Wegwerfjoke. Aus der Thematik hätte man noch mehr rausholen können, aber auch da wirkt einiges zu gehetzt, wodurch in den entscheidenden Momenten die Emotionalität flöten geht. Ein gewöhnungsbedürftiger, aber dennoch ganz amüsanter Neuzugang ist Shaun Dooley (Eden Lake) als neuer Bewährungshelfer der Truppe. Er ist eine absolute Comicfigur, dadurch schon oftmals zu sehr von jeglicher Realität entfernt. Also auch von der, die die Serie bisher etabliert hat. Trotzdem ist er irre komisch, auch wenn die Rolle nicht ganz in die Serie passt.
Handwerklich hat die vierte Staffel viele sehr hübsche Einstellungen zu bieten. Gerade wie die Londoner Vorstadttristesse eingefangen wird ist oftmals ein nüchterner Augenschmaus. Daraus erwächst einmal mehr eine tolle Stimmung, auch der Soundtrack besteht wieder aus vielen bekannten Songs, die teilweise recht ungewöhnlich oder gewagt eingesetzt werden. Auch das Writing der Serie ist weiterhin ziemlich gut, lässt mittlerweile aber klare Defizite erkennen. Jede Folge brauch sehr viel länger um in Fahrt zu kommen als eigentlich nötig wäre, das Tempo hat gerne mal Probleme und vor allem schafft man es nur schwerlich die neuen Charaktere soweit auszubauen, das die gewohnte Dynamik der Serie beibehalten werden kann. Kleine Mankos wie der Humor, der für viele Zuschauer wohl zu plump darauf aus ist zu schockieren ein paar zu viele Einstellungen mit Wackelkameras hingegen sind zu verschmerzen. Somit würde ich die vierte Staffel zwar nicht mehr ohne Vorbehalte empfehlen, wer bisher aber am Ball geblieben ist und vor allem Interesse daran hat wie es mit Rudy weitergeht, kann auch beim vierten mal einen Blick riskieren. Wer aber schon die dritte Staffel schwach fand, wird hier sicherlich nicht fündig werden.
Die vierte Staffel erscheint bei Polyband auf drei DVDs in einer normalen Amaray Hülle. Wendecover ist vorhanden und mit Making Ofs zu jeder Folge und der Misfits Online Miniserie “Strung Out” übrigens eine Selbstparodie mit Marionetten, kommt man auf ungefähr 45 Minuten Bonusmaterial. Qualitativ gibt es am Release nichts auszusetzen, nur die deutsche Synchro ist nur denen zu empfehlen, denen das extrem schnodderige Englisch des O-Tons zu schwer zu verstehen ist. Nicht, dass die Synchro schlecht wäre, aber der Originalton ist einfach nicht zu toppen und nicht wirklich übersetzbar. Ein dickes Manko hat die DVD allerdings. Wenn ihr das Menü vollkommen durchlaufen lasst, wird eine der größten Schlüsselszenen der gesamten Serie gespoilert. Also lieber schnell auf Play drücken.
6 von 10 Dubsteb Kaninchen