Dienstag, 27. Mai 2014

Ein Herz und eine Seele (1973-1976)

Ein Herz und eine Seele (1973-1976)

In einem ordentlichen Arbeiterviertel in Wattenscheid lebt Familie Tetzlaff. Unter dem Dach des schnuckeligen Reihenhauses leben der Familiendespot Alfred (Heinz Schubert), seine Frau, die dusselige Kuh Else (Elisabeth Wiedemann (Satffel 1) / Helga Feddersen (Staffel 2)), die gemeinsame Tochter Rita (Hildegard Krekel) und der vermeintliche Anarchist und Ehemann des guten Töchterchens, Michael (Diether Krebs (Staffel 1) / Klaus Dahlen (Staffel 2)). Alfred ist herrisch und politisch dem rechten Rand der CDU zuzuordnen. Die Zeit in der Wehrmacht vermisst er schon ein wenig, auch wenn er natürlich nie gekämpft hat, aber er vermisst die Ordnung und die Disziplin der damaligen Zeit. Alle seine Informationen über Politik und alle sonstigen Themen bezieht er aus den Pamphleten der Springer Presse, weshalb er nicht nur immer perfekt über alles informiert ist, sondern auch gerne mal an seinen Schwiegersohn gerät, der zwar bei weitem kein Anarchist oder Kommunist ist, wie Alfred immer behauptet, aber durchaus den Studentenrevolten nahe steht und auch ansonsten offenkundig links eingestellt ist. Dabei platzt Michi aber nur selten der Kragen und lässt seinen Schwiegervater lieber auflaufen und sich ganz selbst um Kopf und Kragen reden, wenn er zum Beispiel herbei fantasiert Willy Brandt hätte als Agent der CIA am Maueraufbau gefallen gefunden ähnlich dümmliches.

Zwischen den Stühlen stecken dabei die beiden Damen des Hauses fest. Einmal wäre da Else, die nun schon über zwanzig Jahre mit dem Ekel verheiratet ist und all seine schrecklichen Launen mit Engelsgeduld erträgt. Vollkommen unpolitisch und uninformiert schenkt, die eher einfach gestrickte Dame, ihrem Gatten ihre Aufmerksamkeit und widerspricht ihm nur selten. Doch selbst bei ihrem geringen Wissenstand wird oftmals offensichtlich wie widersinnig viele seiner Aussagen eigentlich sind. Dann kann selbst sie ihrem cholerischen Gatten nicht mehr zustimmen und lässt sich schon mal zu dem einen oder anderen schnippischen Kommentar zu seiner Körpergröße hinreißen. Nicht viel anders geht es der Tochter. Rita ist Mitte zwanzig und arbeitet im Kaufhaus in der Kosmetik Abteilung. Seit kurzem ist sie mit Michi liert, der, wenn auch gegen den Willen das Haushaltvorstands, mit im Reihenhaus wohnt. Auch Rita hält sich aus den Streitigkeiten so weit es geht heraus, nimmt bei Diskussionen aber, wenn auch nur wenige male, den feministischen Standpunkt ein. Ansonsten verteidigt sie ihre Mutter, wenn ihr Vater sie mal wieder beschimpft oder versucht Michi zurückzuhalten wenn er ihrem Vater mal die Meinung sagen möchte. Die Pöbeleien ihres Vaters erträgt sie dabei meist recht wortkarg und abweisend.

“Ein Herz und eine Seele” stellt eine Urtypische und gleichzeitig Archetypische deutsche Kleinfamilie in einer humorig aufbereiteten, sehr überspitzten Art dar. Dreh und Angelpunkt der Serie ist Familienvorstand Alfred. Alfred ist antikommunistisch, antisozialistisch, rassistisch, chauvinistisch, erzkonservativ und reaktionär und bringt somit etwas auf die Bildfläche, das man zu diesem Zeitpunkt so stark verneint hatte, dass es die Allgemeinheit wirklich glaubte. Die bürgerliche Mitte war sich einig: Deutschland war vollkommen entnazifiziert, nationalsozialistisches Gedankengut gab es keines mehr und die amtierenden Politiker der CDU waren höchstens bei der Wehrmacht, aber noch lange keine Faschisten gewesen. Während man sich also einig darüber war, dass man alle Altlasten des zweiten Weltkriegs und des Naziregimes hinter sich gelassen hatte, konnte man die studentischen Proteste als eine Bewegung von Wirrköpfen, Unverbesserlichen und Chaoten abtun. Man hatte ja alles richtig gemacht, Deutschland war wieder im kommen und irgendwann muss man ja wohl auch mal aufhören dürfen sich zu schämen.

Die Realität sah vielerorts ganz anders aus. In vielen Ecken der CDU roch es doch sehr viel brauner als man es zugeben wollte und auch unter den normalen Bürgern des Lands sehnten sich nicht wenige zurück in eine Zeit in der noch “Zucht & Ordnung” herrschte. Ein starker Staat sollte seine Schäfchen, die aus der Reihe tanzten mit voller Kraft in ihre Schranken weisen dürfen. Eben diese unbequeme Wahrheit, brachte Wolfgang Menge (Das Millionenspiel) wieder auf den Tisch. Sein Herangehen war dabei satirischer und parodistischer Art. Er führte die Dümmlichkeit des großdeutschen Familiendiktators vor und lies ihn zum überspitzten Sprachrohr der konservativen Ecke werden. Dadurch entstand eine der ersten deutschen Sitcoms, die wie in anderen Ländern auch, vor einem Live Publikum aufgeführt wurde. Als Vorbild diente dem Autoren die US-Erfolgserie “All in the Family”, die wiederum eine amerikanische Variante der britischen Sitcom “Till Death Us Do Part” war. Das Konzept ist ganz genau das selbe, nur die politischen Pointen wurden auf Deutschland zugeschustert.





Wenn Heinz Schubert nun also darüber lamentiert, dass in Deutschland nur “normale Weiße” und in Afrika “tägliche hunderte N-Wort” auf die Welt kommen, wenn er hetzt, wie die “roten Lumpengesellen” alles teurer machen und er sich sorgen um den Erhalt der BRD macht, wo doch so viele Gastarbeiter im Land sind, lacht man nicht mit Alfred oder über das, was er sagt, sondern man lacht über seine kruden Ansichten, darüber wie uninformiert und engstirnig er ist. Man ist zugleich aber auch ebenso schockiert über all die kleinen Seitenhiebe, die man so auch in der Realität von Menschen seines Schlages hört und so mancher Lacher aus dem Publikum verrät dann doch wessen Geistes Kind auch Fans der Serie sein können.

Denn egal wie übertrieben überspitzt viele von Alfreds aussagen sind und egal wie widerlich Schubert auch versucht seine Rolle rüber zu bringen, einige Zuschauer verstehen nicht, dass man sich hier über dieses Gedankengut lustig macht. Selbst bei Diskussionen mit Michi, in denen jedes Argument des Despoten durch einfache Fakten widerlegt werden können sitzen Menschen vor den Fernsehern, die sich sagen: “Jawoll! Endlich traut sich Jemand auszusprechen was wir denken.” So sahen sich die Macher im Nachhinein auch mit der Kritik konfrontiert man habe mit dem gezeigten vielen Leuten erst eine Flächte geboten auf der sie ihre Kruden ansichten projizieren können und sich darin bestätigt fühlen. Extrem absurd. Fraglich wie nur Irgendjemand wirklich glauben könnte, Alfred wäre auch nur irgendwie eine Person auf dessen Seite man sein könnte. Andererseits fantasieren sich Leute dieser Couleur gerne auch einiges in für sie passende Formen. Da wird die Serie dann schnell mal zu linker Propaganda, die Alfred nur als widerlich darstellt um seine, natürlich total richtige, Einstellung zu diskreditieren.

Dabei hätten Wolfgang Menge und Produzent Johnny Speight es sich auch viel einfacher machen können. Denn Alfred wird gar nicht immer als unmenschliches Scheusal dargestellt. Er ist nicht nur der billige Antagonisten, der von linken Meinungsmachern erschaffen wurde jeden CDU Wähler zu beleidigen. Selbst einem unmöglichem Menschen wie ihm werden menschliche Züge verliehen, er bleibt nie eindimensional, wenn auch er nie über die Parodie herauswachsen kann, die er aber nun mal auch sein soll. Kritik üben kann man aber an Michis Charakter. Diether Krebs bekommt vom Autoren oftmals nicht genug Text um Alfreds dämliche Ansichten zu widerlegen. Viel Humor entsteht zweifelsohne daraus wie er seinen Schwiegervater auflaufen lässt. Er lässt ihn reden und sich damit selbst total unmöglich machen. Ist vielleicht lustiger, aber um das eklige Phänomen zu verhindern, das Leute dazu brachte sich mit Alfred zu identifizieren.

Die Serie besteht aus 2 Staffeln mit insgesamt 25 Folgen. Die ersten Folgen sind noch in schwarzweiß gehalten, wovon eine Handvoll dann noch mal in Farbe neuverfilmt wurden. Dabei hat man dann allerdings nur die Rahmenhandlung kopiert und die politischen Gags ans aktuelle Zeitgeschehen angepasst. Auch die farblosen Folgen, die nicht wiederverfilmt wurden, enthalten zum Teil längere Passagen, die später im Verlauf der Serie wiedergefunden werden können. Ein paar der Running Gags sind dabei teilweise etwas zu billig. Jedenfalls ist es schon ermüdend den selben Witz über Alfreds Körpergröße zu hören. Vor allem wenn ein Mensch so viel Müll von sich gibt, wie er es nun mal tut, gäbe es sicher andere Sachen an ihm, über die man sich lustig machen könnte. Dies und ein paar andere zu verlässliche Regelmäßigkeiten nehmen der Serie manchmal ein wenig von ihrer Kurzweiligkeit und Slapstickmomente lassen die Serie oft dümmlicher wirken als sie eigentlich ist. Abgesehen davon gibt es aber großartige schauspielerische Leistungen. Allen voran natürlich Schubert, der ein unbestreitbar guter Schauspieler ist. Frau Wiedemann macht ihre Sache auch toll und Diether Krebs ist sehr wichtig für die Serie um einen vernünftigen Gegenpol zu Alfred zu bieten. Einzig Hildegard Krekel (Cannibal Girls) bleibt im gesamten Verlauf der Serie zu blass und kann sehr selten was zur Handlung beitragen. Technisch ist die Serie natürlich sehr limitiert, wie es nun mal ist, wenn man vor einem Live Publikum dreht. Die Sets werden aber gekonnt genutzt, wodurch die Serie nie zu starr erscheint.

Bis auf ein paar Kleinigkeiten, die aber nur bei genauerer Betrachtung stören, also ohne Frage eine unheimlich komische und zugleich auch aus politischer Sicht wichtige Serie. Jedenfalls wenn man nur die erste Staffel betrachtet. Die zweite Staffel brachte es dann nur auf vier Folgen und wurde daraufhin abgesetzt. Die Macher waren der Meinung, das Konzept der Serie wäre nicht mehr zeitgemäß, weshalb die Zuschauerzahlen konstant zurückgingen. In Wirklichkeit lagen die Probleme sehr offensichtlich an anderer Stelle. Zuerst wären da die fatalen Umbesetzungen. Else wird nicht mehr von Elisabeth Wiedemann, sondern von Helga Feddersen gespielt. Letztere mag vielleicht irgendwie zum Kult geworden sein durch viele ihrer Blödeleien und nicht zuletzt auch mitunter komischen Sketche, aber an Frau Wiedemann kann sie keinesfalls herankommen. Schlimmer, aber nicht annähernd so nervig wird es bei Michi. Aus dem legeren jungen Mann mit Uninähre, den Diether Krebs darstellte, wurde durch Klaus Dahlen, zum “Speckbullen” wie Alfred ihn nennt. Seine Rolle ist nun nichts anderes mehr als ein fetter, fauler Sack, der rumgammelt, ohne Pause frisst und ganz selten mal was gegen Kapitalismus oder ähnliches in den Raum wirft.

Schlimmer als die Verschandlung der beiden Charaktere ist eigentlich nur noch die auf Slapstick und Dümmlichkeiten ausgelegten Gags. Man ist von Heute ja viel geistloses gewohnt aber innerhalb dieser vier Episoden sind derartig viele Szenen, die vollkommen ohne Inhalt, Humor, Charme oder sonst was daherkommen und unerklärlich werden lassen, warum überhaupt noch Zuschauer den Fernseher hierfür einstöpselten.

Eine großartige Serie, ein tolles Zeitdokument und zumindest die erste Staffel wird von deutscher Comedy so schnell wohl nicht mehr getoppt werden. Die zweite Staffel hingegen, ist genauso dämlich wie der Müll, den man uns heute vor die Nase stellt. Folgen wie "Silvesterpunsch" oder "Besuch aus der Ost-Zone" werden aber weiterhin goldene Momente des deutschen Fernsehens bleiben.