Star Trek: New Frontier - The Captain's Table - Gebranntes Kind (Cross Cult)
Der junge Krieger M'k'n'zy streift verwundet durch Calhoun, der Hauptstadt der Welt, die er in die Unabhängigkeit zu führen gedenkt. Er kommt zu einer Spelunke, die er zuvor noch nie gesehen hat. Seltsame Zeichen an der Tür lassen ihn misstrauisch werden, dennoch tritt er ein. In der Kneipe sitzen Besucher aus anderen Welten – was im derzeitigen Zustand von Xenex äußerst unwahrscheinlich ist – aber was noch viel verwunderlicher ist, ist, dass einige Besucher gänzlich aus anderen Zeiten zu kommen scheinen. Der Barkeeper weiht M'k'n'zy ein. Dies ist das Captain's Table, in dem sich alle Captains des Universums treffen, um ihre Geschichten zu erzählen. Doch M'k'n'zy ist kein Captain und hat seiner Meinung nach nichts zu erzählen, aber der Barkeeper meint, M'k'n'zy werde bald wiederkommen und seine Geschichte erzählen – zumal das Bier nur beim ersten Mal frei Haus ist.
Jahre später findet Captain Mackenzie Calhoun auf einem Holodeck der U.S.S. Excalibur eine ihm vertraute Tür. Er tritt ein und wird wie ein Stammgast begrüßt. Mit einem Bier in der Hand erzählt er nun zum ersten Mal, was auf der U.S.S. Grissom passierte und wie es zu seinem Austritt aus der Sternenflotte kam...
Lose in die New Frontier-Reihe eingebettet, erzählt in diesem Band Captain Calhoun seine Version der Ereignisse auf der U.S.S. Grissom aus der Ich-Perspektive. Durch die Introspektion werden zumindest theoretisch neue Sichtweisen auf den Charakter Calhouns ermöglicht. Leider werden die Möglichkeiten auf den ca. 250 Seiten nur selten praktisch genutzt. Nach dem Lesen weiß man zwar, was das Verhältnis Calhouns zur Sternenflotte so eisig hat werden lassen, allerdings hat sich der Charakter trotzdem kaum in seiner emotionalen Tiefe verändert. Das ist recht schade, denn so ein explizit Calhoun gewidmeter Roman hätte dem Charakter vielleicht ein paar Sympathiepunkte bringen können. Stattdessen erwähnt Calhoun immer wieder, dass er ja in einem Konflikt steht – einerseits ist er ein Krieger, der über Leichen geht, um sein Ziel zu erreichen, andererseits ein pflichtbewusster und „zivilisierter“ Sternenflottenoffizier. Das ist auch gerne Mal Thema in der „normalen“ Reihe und auf die Dauer eher ermüdend. Spannender wird es, wenn dann wirklich mal eine Situation auftritt, in der dieser Konflikt wirklich zu Tage tritt und Calhoun nicht darauf hinweisen muss, dass er ja da sei.
Die weiteren Charaktere wirken zum überwiegenden Teil etwas platt. Peter David hat die Angewohnheit, sich Charaktere auszumalen, die nur eine Eigenschaft haben, über die sie zu identifizieren sind. Diese Eigenschaft bildet dann meist auch gleich eine Art von Superlativ oder wirkt zumindest überzeichnet. Das ist ja ganz nett und funktioniert vielleicht auch ein paar Seiten, aber wenn man sich eine Reihe ausmalt, die langfristig fesseln soll, muss da schon ein bisschen mehr kommen.
Die Geschichte, die Calhoun hier erzählt, bleibt erstaunlicherweise auf dem Teppich. Eine persönliche Tragödie, die in einem Desaster endet. Die Motive der Handelnden sind klar zu sehen, der Verlauf durchaus fesselnd. Wenn Calhoun in seiner Erzählung abschweift, kann das das ein oder andere Mal unterhalten. So fragt er sich z.B. warum die Sternenflotte ihre Schiffe so baut, dass die Brücke immer „oben“ auf der Untertassensektion zu finden ist, wo sie ein herrlich einfaches Angriffsziel bietet oder er darüber nachdenkt, ob Kirk seine Memoiren nicht doch mit ein paar ausgedachten Geschichten aufgepeppt hat.
Anstoß kann man am Ende der Geschichte nehmen. Hier muss ich leider etwas spoilern. Es wird also ein Genozid aus Rache durchgeführt. Zwei Personen haben die Herrschaftsstrukturen auf der U.S.S. Grissom so einsetzen können, dass fast die ganze Besatzung dabei mitgespielt hat. Angenommen die Besatzungsstärke beläuft sich auf 250 Personen, nur 3 davon kommen auf die Idee, ihre Befehle zu missachten und „das Richtige zu tun“. Das allein ist ein ganz furchtbares Szenario. Es bedeutet, dass 245 Personen einem Befehl blind folgen, auch wenn dieser vollkommen gegen die Gesetze und Ideale der Sternenflotte verstößt - von den eigenen moralischen Vorstellungen mal ganz zu schweigen. Alles Teil der Geschichte, das ist auch „ok“. Aber dass der Genozid später gar nicht das Problem ist bzw. als solches diskutiert wird, das ist mehr als bedauerlich. Storytechnisch bzw. für Calhoun ist nur wichtig, dass er geschworen hat, den Captain der U.S.S. Grissom zu beschützen und das nicht geschafft hat.
Ein Band, der die Vorgeschichte der New Frontier-Reihe näher beleuchtet und spannend erzählt ist; den man sich allerdings bei näherer Betrachtung recht schnell madig machen kann.
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