Dienstag, 24. April 2012

Botanicula (PC/Mac)

Botanicula (PC/Mac)

Botanicula ist ein Point&Click-Adventure von Jára Plachý und Amanita Design, den Machern des Adventure-Indie-Hits Machinarium, welches in Deutschland durch die Hamburger Adventureschmiede Deadalic Entertainment vertrieben wird, was sich nicht zuletzt in der erneut liebevollen Boxed Version des Spieles zeigt, die in der Erstauflage erneut den Soundtrack des Spieles, sowie ein schönes Poster enthält.


Bei unseren Protagonisten handelt es sich um eine Gruppe von fünf Freunden – kleine Baumwesen, die ungewollt auf eine lange Reise geschickt werden, um den letzten Samen ihres Heimatbaumes vor bösen Parasiten zu retten. Das ist so ziemlich die Zusammenfassung der gesamten Geschichte von Botanicula, doch was jetzt für Storypuristen sehr dünn klingt, lebt von einer vor Witz und Kreativität sprühenden lebendigen Welt.
Die Spielwelt ist sozusagen „der Mikrokosmos des Vorgartens“, was nach einem Buch für die Gartengestaltung klingt, ist aber viel mehr die Beschreibung einer fantastischen botanischen Welt, wobei viele der Wesen und Pflanzen rein der kreativen Fantasie ihrer Macher bei Amanitas entsprungen sind. Alles wirkt jederzeit Recht lebendig, hier und da krabbelt es, wirbeln Blätter umher oder verbirgt so mancher schräger Zeitgenosse. Schräg ist mit Sicherheit nur eines der Verben, dass euch (und mir) beim Spielen von Botanicula einfallen wird. Die Welt ist teilweise schon sehr skurril und mitunter auch etwas „creepy“, aber selbst diese Passagen sind gut verträglich, ist man doch stets in Gesellschaft der Fünf tollen Freunde die man auf ihrem Weg begleitet.
Keines der putzigen Baumwesen, oder irgendein Charakter im Spiel hat eine Stimme und es gibt auch keine Untertitel oder sonstige Texte zu lesen, alles was man wissen muss wird genau wie es schon in Machinarium der Fall war, in kleinen bildlichen Sprechblasen (oder Bildblasen?!) dargestellt. Selbst dieses Mittel ist jedoch nicht allzu häufig vertreten, weil der größte Teil der Erzählung und auch des Spieles selbst durch das Artdesign bestimmt wird. Jeder Screen ist handgezeichnet und erzählt zusammen mit der Musik und den Bewohnern dieser kleinen Welt seine ganz eigene Geschichte.

Gesteuert werden unsere Fünf Freunde nur per Maus, wobei ein freies bewegen an jeden Punkt des Bildes nicht möglich ist, viel mehr gibt es in jedem Bild Ausgänge die mit einem Pfeil markiert sind um so von Bild zu Bild gelangen zu können. Es handelt sich also nicht so sehr um ein klassisches Point and Click Adventure sondern vielleicht eher um einen Puzzler, denn jeder der insgesamt über 150 Bildschirme die man sich im Laufe des Spiels ansehen kann, birgt irgendein Geheimnis, einen Hinweis oder einfach nur kleine Spielereien an denen man sich erfreuen kann. Der Kern des Spieles liegt aber im lösen von Puzzels, wobei damit nicht die alten Ravensburger Brettspiele gemeint sind, sondern viel mehr manigfaltige Denkaufgaben bei denen man meist sehr kreativ sein muss um diese zu lösen. So ist es etwa an einer Stelle nötig eine Pusteblume mit der Maus zu schütteln, damit man schließlich den Blütenkopf mitnehmen und an einen freundlichen Helfer verfüttern kann. 

Dafür bedarf es natürlich eines Inventares, doch auch dieses ist keineswegs in der sonst üblichen Form generiert, so kann man keine Gegenstände kombinieren und es ist auch meist nicht nötig einen großen Haufen Kram mit sich rum zu tragen. Vielmehr setzt das Spiel hier auf die direkte Lösung eines Rätsels auf dem Bildschirm selbst. Das funktioniert, leider nicht immer so reibungslos was mit unter der etwas unpräzisen Maussteuerung geschuldet ist, beispielsweise wenn man kleine Kuller in einen Trichter schnipsen soll. Hier wird einem klar oder man wünscht sich zumindest eine Touchscreen-Steuerung, weil man den Eindruck hat das genau solche Rätsel auf den Tablett-PCs besonders gut funktionieren würden, schade aber für PC/Mac Spieler.

Neben dem bereits benannten rudimentären Inventar gibt es in der oberen Leiste noch eine Art Kartensammlung in der jedes Wesen, dass man getroffen hat so zusagen als Sammelkarte aufgenommen wird, ein ganz nettes Feature falls man sich die zahllosen wirklich kreativ erstellten Wesen etwas näher ansehen möchte. Was man hier aus meiner Sicht noch hätte verbessern können wäre ein kleiner Kartentext gewesen, der etwas zu der Geschichte dieser Wesen erzählt, weil so halt meist nur hübsch anzusehen sind.
 
Bereits bei Machinarium war ich erstaunt wie viel Atmosphäre man in einem Spiel erzeugen kann, in dem es keinerlei Sprache oder „Actioneinlagen“ gibt. Jedoch schafft es auch Botanicula diese schwierige Aufgabe zu meistern, schnell wachsen einem die kleinen Baumwesen mit denen man das Abenteuer bestreitet ans Herz freut sich, wenn sie in lustigen Jubel verfallen und fiebert mit, wenn sie sich an den bösen „Rußmännchen“ (so sehen die Fieslinge aus, haben aber nichts mit Ghiblis wundervollen „Rußmännchen“ aus Chihiros Reise ins Zauberland [千と千尋の神隠し Sen to Chihiro no kamikakushi] zu tun) vorbeischleichen müssen. Zusammen mit den stellenweise doch sehr schweren Rätseln, bei denen man vor dem Bildschirm sitzt und keine Ahnung hat was zu tun ist erzeugt das Spiel eine tolle Atmosphäre und fordert auch so manchen Core- Knobbler heraus.

8.9 von 10 geretteten Baumsamen