Dienstag, 9. April 2013

Der Process (Knesebeck)

Der Process (Knesebeck)

Am Morgen seines 35. Geburtstag erwacht Josef K. als wäre alles wie immer. Doch anstatt Frühstück ans Bett oder eine andere wohlige Überraschung, erwarten ihn einige Staatsdiener. Noch nie hat er diese Männer zuvor gesehen und sie weisen sich auch nicht aus von welcher Institution sie ausgesandt wurden. Alles was sie Herrn K. erzählen, ist dass er Angeklagt ist und sich schon mal auf einen langen und harten Prozess einrichten soll. Mit Leibeskräften wert er sich und versucht zu erfahren welches Verbrechen er begangen haben soll. Doch egal wie lang und absurd der Prozess auch weitergeführt wird, niemals soll er erfahren was ihm angekreidet wird. Und immer noch versucht er seine Unschuld zu beweisen, mit sehr geringem Erfolgsaussichten.

Es gibt viele Möglichkeiten Franz Kafkas Process zu interpretieren. Die Geschichte könnte eine Parabel auf einen repressiven und über alle Maße bürokratischen darstellen. Wobei die absurden Versuche parodiert werden, auf welch verbohrte und teilweise absonderliche Weise versucht wird so etwas wie Gerechtigkeit zu forcieren. Die Angst vor einem totalitären System ist auch anwesend, genauso wie die Art in der K. dem Staat ausgeliefert ist ein Ausdruck der kindlichen Furcht Kafkas vor seinem Dominanten Vater symbolisiert. Eine weitere nicht abwegige Interpretation ist sicherlich, diese Geschichte als Reaktion auf den ständig wachsenden Antisemitismus in Europa der damaligen Zeit zu verstehen.

Recht haben alle und letztlich auch niemand. Jede dieser Theorien lässt sich problemlos in den Process hineindenken, im Endeffekt aber weiß man es nicht und vermutlich waren auch Kafkas Gedanken selbst ziemlich diffus. Denn er überlässt es dem Leser völlig frei aus der Geschichte zu machen was er will. Schließlich wird zu keiner Zeit gesagt für was man Josef angeklagt hat und nicht mal die kleinste Andeutung wird gemacht. Und so bleibt es vollkommen der Fantasie des Lesers überlassen sich zu denken, was er letztendlich mit seiner Geschichte sagen wollte.

Daran ändert sich natürlich auch nichts bei dieser Comicadaption des Klassikers. Gemeinsam mit dem Autor David Zane Mairowitz übertrug Chantal Montellier Kafkas Geschichte, die erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde. David Zane Mairowitz hat ja schon ein wenig Erfahrung dabei Kafka in die neunte Kunst zu übertragen. Schließlich arbeitete er auch schon gemeinsam mit Robert Crumb an “Introducing Kafka”. Der Comic soll übrigens auch bald auf deutsch im Reprodukt Verlag erscheinen. Den Bärenteil der Arbeit musste allerdings die Cartoonistin Chantal Montellier übernehmen. Ihr zugleich realer, aber immer mit etwas albtraumhaften behaftete Zeichenstil passt perfekt zum Kafkaesken Treiben. Wie meist verzichtet sie auf Farben und überzeugt dafür mit viel Kreativität und Einfallsreichtum. So schafft sie es den ganz eigenen, sehr fantastischen Stil der Geschichte zu übertragen. Ein wenig erinnern ihre Zeichnungen dabei an die Werke von Jacques Tardi, was durchaus ein Lob ist. Trotzdem ist ihr Stil sehr unabhängig und auch ihre feministische und libertäre politische Einstellung kommt immer wieder stark durch. Ein paar der Seiten sind zudem auch noch sehr direkt von dem obenerwähnten Crumb Comic beeinflusst.

Die 127-seitige Graphic Novel ist bei Knesebeck in einem sehr hübschen Hardcover Band erschienen, der gewohnt hochqualitativ daher kommt. Interessierte können ohne Bedenken zugreifen.

8,5 von 10 Damen die im Gerichtssaal wohnen