Die Gabe (Festa)
Alan Bulmer ist von ganzem Herzen Arzt. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen versteht er seinen Job als wichtigen Teil der Gesellschaft. Er möchte seine Patienten als Menschen achten, sie kennen lernen und ihre Beschwerden wirklich lindern. Er möchte sie nicht nur von seiner Liste streichen. Umso schlimmer ist es für ihn, als ein schwerkranker Senator einen Gesetzesvorschlag durchbringen will, der die Möglichkeiten vieler Ärzte weiter einschränkt und die Heilung von Menschen industrialisiert. Nach seiner Aussage gegen das neue Gesetz vor dem Senat, macht sich Alan den Senator zum Feind, obwohl er eigentlich nie etwas mit der Politik zu tun haben wollte. Eines Tages, als er für einen seiner Patienten in die Notaufnahme muss, wird er von einem furchtbar heruntergekommenen Obdachlosen angesprochen und auf eigenartige Weise berührt – während der Penner stirbt, fällt Alan in Ohnmacht. Nach einiger Zeit muss er feststellen, dass diese Begegnung etwas verändert hat. Unheilbar Kranke genesen nach einer einfachen Berührung – Alan ist entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Art Wunderheiler geworden. Doch diese Gabe bringt eine schwere Bürde mit sich...
Nun denn, das dritte Büchlein von F. Paul Wilson nach Das Kastell und Die Gruft, mit dem ich meinen Gehirnwindungen schmeicheln wollte. Das hat soweit auch ganz gut geklappt. Wilson ist einfach echt gut darin, klare Bilder zu zeichnen und soziale Bindungen nachvollziehbar und realistisch zu gestalten. Die Charaktere sind zum überwiegenden Teil sehr lebhaft, so dass man zu ihnen viel Draht bekommt. Das liegt natürlich hauptsächlich an Wilsons Stil, aber auch an der Tatsache, dass er sich von den 350 Seiten etwa 280 Seiten Zeit nimmt, sich mit ihnen zu beschäftigen. So zeigt er, wie Alans bisheriges Leben zuerst langsam und dann in großen Schritten durch die Auswirkungen der Gabe zerstört wird. Dabei ist erwähnenswert, dass dafür nicht irgendein Zauber oder was auch immer verantwortlich ist, sondern die Menschen, die mit so einer unheimlichen Macht nicht zurecht kommen bzw. sie ausnutzen wollen. Das führt allerdings auch dazu, dass man ab und zu das Gefühl hat, in eine gut geschriebene Soap Opera versetzt zu werden, deren einziger verwirrender Faktor Alans Gabe ist. Das mag dem ein oder anderen missfallen, ich fand's gut. Der Versuch, sich näher an der Realität zu halten, macht den Roman dann ja schließlich auch erst zum „Fantastischen Thriller“.
Was mich ein wenig gestört hat, ist, dass mal wieder „ein Ausländer“ - dieses mal ein Vietnamese – mit seinem Aberglauben und den okkulten Geschichten über die Gabe Bescheid weiß. Das ist mir dann doch immer etwas zu blöde. In Die Gruft waren es ja nunmal die Inder mit ihren abgefahrenen Ritualen.
Bei der Übersetzung bzw. Revision ist mir aufgefallen, dass durchaus inkonsequent gehandelt wurde. Im Jahre 1986 das erste Mal veröffentlicht, greift Wilson hier natürlich Elemente der damaligen Zeit auf, s.h. dass Umschreibungen der getragenen Kleidung dann doch eher mal die Ästhetik der 80-iger Jahre nachhängt. Gleichzeitig werden dann widerum iPods und das Internet genutzt. Das will irgendwie nicht wirklich zusammenpassen. Da verstehe ich dann nicht so ganz, warum man ein Werk nicht einfach in seinem Originalzustand belässt – als Zeitdokument sozusagen.
Die Gabe ist ein nettes Buch für zwischendurch, allerdings sollte man sich fern halten, wenn man total Abgefahrenes oder Nonstop-Action erwartet.
7,1 von 10 etwas zu enthusiastisch abgeschnittene Jeans