Montag, 2. April 2012

Abgefüllt (2009) [Sunfilm]


Abgefüllt (2009) [Sunfilm]

Das Geschäft mit Trinkwasser ist ein Milliardengeschäft. Große Konzerne kaufen sich von kleinen Gemeinden günstig das Förderrecht für die dortigen Grundwasserreserven. Aber ist dies in Ordnung? Haben die Einwohner kein Recht auf das Wasser in der Region, in der sie sich niedergelassen haben? Die Verfügbarkeit des Wassers und sein Preis sind jedoch nicht die einzigen Probleme, die diese Industrie aufwirft. Unfassbare Mengen PET-Flaschen werden produziert und (zumindest in den USA, auf die sich die Dokumentation beschränkt) nicht fachgerecht recycled. Von den Folgen der Flaschenproduktion mal ganz zu schweigen...

Neo-liberale Propaganda würde Fox News diese Dokumentation nennen. Die Dokumentation möchte ein Bewusstsein für die Trinkwasserwirtschaft schaffen und schreckt dabei nicht davor zurück, stark zu polemisieren und einseitig zu informieren. Der Zuschauer soll die vorgegebene Meinung annehmen, anstatt selbst größere Anstrengungen in die Richtung zu leisten. Eine derartige Einstellung erwarte ich von der „bösen Seite der Macht“, aber nicht von den Leuten, die das Herz eigentlich am rechten Fleck haben.
Aber worüber regt sich der Icke schon wieder auf?
Zum Beispiel wird gezeigt, wie sich die Bürger einer Gemeinde über die Machenschaften von Nestlé empören. Nestlé zapft in ihrer Gemeinde mit Zustimmung der Gemeindeoffiziellen das Grundwasser an, füllt es ab und verkauft es. Nestlé hat soviel Dreck am Stecken, dass man auch mal pauschal gegen diese Firma wettern kann. Das ist auch vollkommen legitim. Aber zu sagen, dass es ungeheuerlich sei, dass Nestlé ihnen das Wasser stehle und es ihnen dann überteuert wieder verkaufe, ist schlichtweg albern. Diese Menschen haben das Glück, dass das Wasser weiterhin aus ihren Hähnen daheim fließt und ihnen die Freiheit gegeben ist, das abgefüllte Leitungswasser von Nestlé zu kaufen oder nicht. In diesem Fall sollten diese Personen vielleicht eher ihre eigene Gemeinde erstmal soweit auf Vordermann bringen, dass die Offiziellen im Konsens mit der Bevölkerung handeln und das von der Gemeinde aufgestellte Werte- und Rechtesystem soweit anpassen, dass Nestlé nicht mehr konform zu diesem System schalten und walten kann. Die Dokumentation zeigt jedoch nur wie die ohnmächtigen Bürger ausgebeutet werden.
Desweiteren wird die Förderung von Trinkwasser durch große Konzerne dafür verantwortlich gemacht, dass es zu Wassermangel während der schweren Dürre 2007 in den USA gekommen ist. Dies wird allerdings einfach nur in den Raum gestellt.
Es gibt mehrere inhaltliche Schnitzer, schlimm wird es jedoch, sobald Interviewszenen bzw. spontane Unterbrechungen dieser gestellt wirken. Da sitzt also die Wasserbeauftragte der FDA zum Interview bereit. Als eine „unangenehme“ Frage gestellt wird, stehen zwei perfekt eingestellte HD-Kameras parat, um das Off zu zeigen, aus dem der Pressesprecher der FDA dazwischenfunkt. Ich möchte damit nichts unterstellen, aber es wirkt einfach nicht so, als würde hier die Realität dargestellt werden. Unterstützt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die Interviews mit den „Bösen“ stark zusammengeschnitten sind und zwar so stark, dass im Prinzip nur noch die Zirkusmusik gefehlt hätte, um es bei „Upps! Die Pannenshow“ einzusenden.
Sieht man mal von der fehlenden Seriosität ab, ist die Dokumentation technisch wirklich auf hohem Niveau. Bild, Ton und Schnitt unterstützen die Darreichungsform sehr gut und lassen den Film nicht langweilig werden. Es herrscht ein recht hohes Tempo und es wird schon ein gewisser eigener Stil herausgearbeitet.
Auch wenn ich mich jetzt recht lange damit aufgehalten habe zu zeigen, dass der Inhalt einseitig und nicht immer sehr durchdacht ist, gibt es aber ja schon noch Teile des Films, die wirklich gut und sogar informativ sind. So werden die Auswirkungen des in vielen Staaten der USA fehlenden Recyclings in Form von granuliertem PET an Stränden und riesigen Müllteppichen im Pazifik gezeigt. Ebenso wird aufgeklärt, dass das von Nestlé, Pepsi oder Coca-Cola verkaufte Wasser eben nur gefiltertes, aber weniger überprüftes Leitungswasser ist.
Zum Schluss folgt noch ein Aufruf, sich vielleicht von dem an manchen Orten schon zum Modeaccessoire gewordenen kleinen PET-Fläschchen zu verabschieden und zu einem zu Hause befüllten Glasbehältnis zu greifen. Klug.

Abgefüllt ist eine Dokumentation, der es recht ordentlich an Seriosität mangelt. Aber zur Unterhaltung taugt sie aufgrund des hohen technischen Niveaus allemal und die vermittelte Botschaft sollte man meiner Meinung nach annehmen – Seriosität hin oder her. Bedenken sollte man noch, dass der Film sich allein auf die Vereinigten Staaten von Amerika bezieht.

5,5 von 10 zu Krücken mit Strass gewordene, bei H&M gekaufte Nerdbrillen