Der Seewolf (Splitter)
Im Reichtum geboren und aufgewachsen musste Humphrey van Weyden niemals hart für seinen Lebensunterhalt schuften. Eher zum Zeitvertreib wurde er zum Literaturkenner und Kritiker. Doch ein eigentlich ganz normaler Segelausflug zum Sommerhaus eines Freundes wird für den versnobten Literaten zu einem Lebens verändernden Abenteuer. Die Fähre auf der er fuhr, wurde nämlich im Nebel von dem Robbenfangsegler “The Ghost” gerammt und versenkt. Der einzige Überlebende war Humphrey, der auf die Ghost bebracht wurde. Anstatt den Schiffbrüchigen zum nächsten Hafen zu bringen, zwingt der raubeinige Kapitän Wolf Larsen ihn dazu in der Kombüse zu arbeiten und nimmt ihn mit nach Japan zur Robbenjagd. Zwar ist Wolf erbarmungslos und ein wahrer Teufel in Menschengestalt, doch Hump lernt auch seine andere Seite kennen. Der Seewolf ist nämlich auch ein gerissener und sehr belesener Mann. Da Hump oder wie er von den Matrosen genannt wird “Hasenfuß”, der einzige ist mit dem er über Literatur und Philosophie sprechen kann, steigt er bald in der Gunst seines Peinigers und lernt zum ersten mal in seinem Leben hart zu arbeiten um zu überstehen.
Jack London war ja nun schon einige Male Thema auf diesem Blog. Daher denke ich, das ich nicht mehr darauf eingehen muss wie interessant seine Abenteuerwerke sind, gerade wegen ihrer sozialistischen und oftmals gesellschaftsfeindlichen Untertönen. Wer also nicht weiß wer dieser große Autor war, informiert sich und kommt dann wieder. Ich warte solange. In “Der Seewolf” werden seine Motive wieder einmal sehr offensichtlich. Allerdings geht er hier etwas vielschichtiger an die Sache heran. Im Mittelpunkt steht der zwar gebildete, aber im wahren Leben vollkommen aufgeschmissene Humphrey. Durch sein Vermögen und das angelesene Wissen mag er in der Stadt gut zu Recht kommen, doch auf dem Schiff hilft es ihm nicht mehr weiter. Er muss richtig anpacken, etwas was er in seinem wohlbehüteten Leben nie gelernt hat. Es geht London daher einmal mehr dem Leser zu zeigen wie weit entfernt die Städter vom echten Leben sind und ihr wissen gegen die Natur nichts auszurichten weiß. Gleichzeitig ist es aber auch das Wissen, das ihn zu einem Verbündeten des Seewolfs werden lässt. Wolf Larsen ist hier gleichzeitig Humps nahester Vertrauter, zumindest bis zum dritten Akt, gleichzeitig der Antagonist. Er ist ein Teufel der Humps angelesenen Moralvorstellungen in der Praxis auf die Probe stellt. Der vollkommen ohne Moral handelnde Kapitän wirkt nur selten menschlich, dafür viel öfter wie eine unaufhaltsame und erbarmungslose Naturmacht. Ein Orkan von einem Mann wenn man so will.
Hump kritisiert wie die Männer unschuldige Robben jagen und sie nur ihres Fell wegen abschlachten, ebenso verurteilt er den Kapitän dafür wie er mit seinen Untergebenen umgeht. Genau da kann der Wolf dann aber Humps Moralsystem verurteilen. Während er nämlich die Ermordung an den Robben verurteilt hat er in der Zivilisation niemals etwas gegen die edlen Damen gehabt die sich im Fell der toten Tieren kleiden und zwar nur aus ihrer Eitelkeit. Genauso wie die Menschen in den Städten sich damit abgefunden haben vom System ausgenutzt zu werden und für reiche Kriege zu führen um sie noch reicher zu machen. Wenn Wolf dies aber im kleinen ebenso tut sieht Hump darin eine Sünde. Auch Gläubigkeit wird am Rande noch erwähnt und mit philosophischen Grundthesen verglichen. Jedenfalls spricht London für damals viele sehr gewagte und progressive Themen an.
Aber auch wenn man der politischen Ebene der Geschichte nichts abgewinnen sollte, bekommt man immer noch eine sehr aufregende Abenteuergeschichte, die schonungslos die Plackerei auf einem Segler schildert. Es geht verdammt rau zu und Gewalt steht an der Tagesordnung. Dabei ist es Riff Reb’s auch gelungen as Geschehen optisch geschickt umzusetzen. Der Stil ist nicht total besonderes, aber dennoch sehr eigen. Am coolsten sind ganz klar die Charakter Designs. Diese sind ziemlich comichaft, bleiben aber immer fern davon Karikaturen zu werden oder albern auszusehen. Da es außer den Charakteren und dem Boot nichts zu sehen gibt, konnten alle Details sehr betont werden, wobei aber auch darauf geachtet wurde die Panel nie zu überfrachten. Gerade wenn es stürmisch wird, sieht der Comic fabelhaft aus und die irgendwie übernatürliche Ausstrahlung des Wolfs konnte ebenso gekonnt visualisiert werden. Auf eine klassische Kolorierung wurde verzichtet, stattdessen wurde jedes Kapitel in eine andere Farbe getaucht und auch wirklich immer nur in diese eine Farbe. Sieht klasse aus und wirkt klasse!
Ein toller Abenteuercomic, der jede Menge Raum für Interpretationen lässt und einen von Jack Londons Romane adaptiert die ich noch nicht kenne anstatt immer nur “Wolfsblut” und “Ruf der Wildnis”. Abenteuerfans greifen beherzt zu, aber auch wer etwas tiefsinnigeres lesen möchte ist hier nicht an der falschen Adresse. Nach einem etwas zähen Einstieg gibt es auch absolut nichts mehr auszusetzen.
8,9 von 10 blinde Teufel die auch gefesselt immer frei sind