Donnerstag, 4. August 2011

Die Gruft (Festa)

Die Gruft (Festa)

Jack ist Hausmeister. Zumindest denken das die meisten, aber so wirklich beschreiben können sie nicht, was „Handyman Jack“ so treibt. Seine Auftraggeber wissen jedoch, dass er „Dinge in Ordnung bringt“. So auch der Inder Kusum Bakhti, der die von seiner Großmutter gestohlene Halskette so schnell wie möglich wiederhaben möchte. Nicht, dass das in einer Stadt wie New York so gut wie unmöglich erscheint, ruft ihn auch noch seine kürzlich Verflossene an. Sie kontaktiert ihn widerwillig im Auftrag der wohlhabenden Großtante ihrer Tochter. Die Schwester der Großtante ist spurlos verschwunden und die Polizei scheint machtlos zu sein. Irgendwie deucht ihm, es würden ein paar aufreibende Tage und Nächte werden...

Es hat ein wenig Überwindung gekostet Die Gruft anzufangen, nachdem F. Paul Wilson mich in Das Kastell desöfteren mit seiner Groschenromanästhetik und den allzu platten Charakteren malträtiert hat. Aber schon nach ein paar Seiten musste ich das Buch schließen und nochmal auf den Umschlag schauen, ob da der gleiche Autor steht. Natürlich bemerkt man irgendwann Parallelen zum Kastell, aber die Momente, in denen man peinlich berührt ganz schnell weiterliest, bleiben komplett aus.
Der Autor zeigt hier auch wieder eindrucksvoll seine stärkste Fähigkeit. Er bringt die Beschreibungen einzelner Vorgänge und Szenerien extrem genau auf den Punkt, so dass intensive Bilder im Kopf des Lesers entstehen können. So beschreibt er z.B. eine Zeremonie in einem Laderaum voller Rakoshi (furchtbare Kreaturen, die in Verbindung mit Bakhti stehen) folgendermaßen:

„Es war wie der Anblick einer Opiumhöhle in einer vergessenen Ecke der Hölle.“

Das mag erstmal unscheinbar erscheinen, aber provoziert im Buch überwältigende Bilder. Und was wirklich schön ist, dass Wilson sich dieses Mal nicht nur auf das Drumherum beschränkt, sondern die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander realistisch und nachvollziehbar aufbaut. So entsteht bei der Erläuterung der Hintergundgeschichte Jacks eine Bindung zum Leser, die zwar Jacks Taten nicht legitimiert, jedoch verständlicher macht. Auch Jacks Beziehung zu Vicky, der Tochter seiner ehemaligen Freundin, wird derart gut umschrieben, dass man stark mitfühlt, als Jack von ihrer Entführung hört. Das ist umso schlimmer, da im Verlauf der Geschichte nicht unbedingt der Eindruck entsteht, dass ein Happy End im Preis mitinbegriffen ist. So rast man förmlich durch die letzten 100 Seiten.
Davor kann der Roman eben durch die guten Charaktere und eine durchdachte Geschichte fesseln. Es wird nicht gescheut, ein bisschen Sozialkritik einzustreuen, wenn der tief religiöse und von faschistoiden Ideen zerfressene Kusum Bakhti über die amerikanische Gesellschaft herzieht. Er bemängelt zum einen den moralischen Zerfall (wobei in seiner Vorstellung ein falscher Blick auf das falsche Körperteil der falschen Personengruppe schon ein Anzeichen dafür ist...), zum anderen aber auch plausibel den Zerfall gesellschaftlicher Bindungen. So sucht er sich zur Fütterung der Rakoshi die Angehörigen der Kaste der „Unberührbaren“ - Alte, Kranke und Obdachlose. Diejenigen, die in der westlichen Gesellschaft keine konkrete wirtschaftliche Funktion mehr übernehmen und somit auch kaum mehr „Wert“ für soziale Bindungen haben, können somit verschwinden, ohne dass jemand sich die Mühe macht, nach ihnen zu suchen. Erschreckend, aber durchaus treffend.

Die Gruft ist ein gutes Buch. Es unterhält wunderbar und ist formidabel geschrieben.

8,1 von 10 feiste Hängebacken