God bless America (2011) [Eurovideo]
Frank (Joel Murray) hasst seine Nachbarn. Nervige Proleten die laut und anstrengend sind. Die papierdünnen Wände und deren ständig heulendes Baby helfen da auch nicht gerade weiter. Er hasst aber auch viele andere Menschen, seine Ex-Frau, ihren neuen Kerl und selbst seine Tochter ist eher nervig. Außerdem hasst er was aus der Gesellschaft geworden ist. Niemand achtet mehr auf andere Menschen, bei jedem Gespräch läuft im Hintergrund irgendwas, was vom Essentiellen ablenkt und niemand unterhält sich noch wirklich. Es werden höchsten Themen, Phrasen und Dummheiten wiederholt die man vorher in den Medien aufgeschnappt hat. Als er dann noch nach 11 Jahren in seinem öden Bürojob gekündigt wird und ihm sein Arzt kurz darauf, eher nebenher, verrät dass er einen tödlichen Hirntumor hat, reicht es ihm. Warum auf den Tod warten, wenn er sich den Zeitpunkt auch selbst aussuchen kann und sich damit viele Qualen erspart. Doch gerade in dem Moment, in dem er sich in den Kopf schießen möchte, läuft wieder so eine schreckliche Reality-TV Show in der arme Leute vorgeführt werden, die überhaupt nicht realisieren in was für einer ekligen Art sie ausgebeutet werden. Es müsste jemanden geben, der all diese schrecklichen Leute aus dem Weg räumt. Und da Frank sein Leben sowieso wegwerfen will, kann er vorher noch so viele Leute mit sich nehmen wie er kann. Verdient hätten es ja genug.
Am nächsten Morgen knüpft er sich eine hochnäsige Teenagerin (Maddie Hasson) vor, die noch am Abend davor die gesamte Fernsehwelt mit ihrem sechzehnten Geburtstag verpestet hat. Dabei beobachtet ihn die ebenfalls sechzehnjährige Roxy (Tara Lynne Barr). Sie hält den Mord an der eingebildeten Tussi für das Größte, das sie jemals miterleben durfte. Sie verfolgt Frank und überredet ihn dazu sie mit zu nehmen. So reisen sie quer durchs Land und töten alle die unfreundlich, verbohrt, laut und nervig sind.
Auch wenn nicht jeder seinen Namen kennt, weiß eigentlich doch jeder wer Bobcat Goldthwait ist. Den meisten wohl als Kadett Zed aus Police Academy 2, 3 und 4 oder “Hot to Trot”, sowie vielen anderen recht flachen Filmen bekannt, ist jedem schon mal dieser quirlige, sehr laute und anstrengende Mann mit der hohen kreisch Stimme aufgefallen. Und gerade der hat jetzt eine düstere Komödie über zwei Serienkiller gedreht? Sieht man sich dann noch den Trailer an, ist eigentlich alles auf 100 unterhaltsamen Minuten verloren. Umso größer war ich dann aber überrascht.
Nach dem grausam unkomischen Trailer war ich schon fest davon überzeugt den Film dumm zu finden. Wenn ich mir so was einrede, kann man mich auch eher schwer vom Gegenteil überzeugen. Aber schon der einleitende Monolog, der so überzeugend von Joel Murray (Hatchet) rübergebracht wird, hat mein Interesse wecken können. Kurz darauf verliert sich der Protagonist in einer abgedrehten und sehr harten Gewaltfantasie, die stark an Jason Eiseners “Hobo with a Shotgun” erinnert. Zwei Punkte werden somit in den ersten Minuten klar: Die Dialoge sind klasse geschrieben und Goldthwait geht weder bei der Gewaltdarstellung noch beim Inhalt Kompromisse ein. So werden auch im Verlauf des Films immer wieder Grenzen überschritten und jeder der auch nur Ansatzweise reaktionäres oder konservatives Gedankengut in sich trägt wird sich vermutlich, auch zurecht, massiv angegriffen fühlen. Jeder Fan von stumpfen Fernsehprogrammen, Reality-TV, Homophobe Arschlöcher, Rassisten, Religiöse Eiferer, jeder bekommt sein Fett weg.
Ich habe Stimmen von Leuten gehört, dass alles extrem vereinfacht dargestellt wird, was natürlich auch stimmt. Genauso werden teilweise Logiklöcher kritisiert. Auch diese sind ohne Frage vorhanden. Wenn jemand Menschen in einem Kino (in dem übrigens ein clever platziertes Poster der schockierenden Doku Jesus Camp zu sehen ist) erschießt und dabei gefilmt wird ist es sehr unwahrscheinlich das die Polizei nicht einmal auf die Killer aufmerksam wird. Gerade wenn sie ein derart auffälliges Auto fahren. Man muss aber auch einfach beachten, dass der Film nicht in unserer Realität spielt, sondern eine überspitzte Parodie auf unsere Gesellschaft und im speziellen unserer Medienlandschaft ist. So gesehen kann dieser Punkt sogar als Veralberung von schlechten Hollywood Drehbüchern angesehen werden.
Ein Kritikpunkt der von vielen kommt, die den Film scheinbar überhaupt nicht verstehen ist, dass Franks Prämisse von Beginn an falsch ist und er sich genauso scheiße verhält wie die Leute die er tötet, schließlich ist es auch nicht gerade nett Menschen zu töten. Letztlich ist genau dieser Punkt die Botschaft am Ende. Frank und Roxy können die Welt nicht besser machen durch ihren Amoklauf. Schließlich müssen sie sogar einsehen das die Gesellschaft von ihrer Dummheit überhaupt nicht befreit werden möchte. Sogar die vermeintlichen Opfer der Medien sehen sich irgendwie als Gewinner. Auch die Inkonsequenz der beiden Killer ist durchaus bewusst so ins Drehbuch geschrieben. Im Verlauf des Films werden sie ebenso prätentiös wie die Menschen die sie hassen und vielen ihrer Aktionen fehlt vollkommen die Grundlage. Die beiden sollen gar keine Helden sein, weil sie es eben nicht sind. Spätestens an dem Zeitpunkt, an dem sie überlegen jeden zu töten der High Fives gibt sollte dies auch jedem bewusst werden. Zu jeder Zeit hätten beide ein Leben beginnen können das sie ausfüllt, sie hätten den Fernseher ausmachen können, selbst bessere Dinge erschaffen und dabei helfen können eine bessere Gesellschaft zu formen. Denn Menschen wie Frank sind das Problem. Die hirnlosen Maßen tun nur das was ihnen gesagt wird, sie wissen es einfach nicht besser und brauchen Menschen die ihnen eine Art von spannenderem Leben vorleben. Frank und Roxy hätten das Potential dazu eine bessere Welt zu schaffen, doch alles was sie tun ist vor dem Fernseher zu sitzen und sich darüber aufzuregen wie dumm alles um sie herum ist. Somit macht der Film sich nicht über die breite Masse lustig, sondern hält denen ihre eigene Faulheit vor Augen die sich darüber bewusst sind was schief läuft aber nichts daran ändern.
Obwohl die Dialoge wirklich gut geraten sind, gerade wenn sie ausufernd lang ausfallen, fällt doch auf wie sehr Bobcat Goldthwait sich bei den Dialogen an Vorbilder wie Quentin Tarantino oder Oliver Stone hält. Dem ganzen steckt eine neunziger Jahre Gangsterfilmästhetik inne, die ganz besonders an “Natural Born Killers” erinnert. An diesem Kultfilm muss “God bless America” messen lassen, wobei NBK ohne Probleme die Nase vorn hat. Auch aus anderen Filmen wie zum Beispiel Falling Down wurden einzelne Elemente abgeschaut. Eigenständig ist der Film also nicht gerade, ändert aber nichts an den tollen Dialogen und Bobcats überraschend talentierter Bildkunst. So manches mal schafft er es Hochhäuserschluchten, die amerikanische Architektur und Landschaften für sich arbeiten zu lassen. Auch die Akribie mit der er Werbespots und das aktuelle Reality-TV nachstellt ist verblüffend und wird nie so sehr überspitzt das es albern wirken könnte.
Zwischen Joel Murray und Tara Lynne Barr besteht eine faszinierende Chemie und beide schaffen es ihre Comicbuchartigen Charaktere wunderbar in die Gesellschafts- und Mediensatire einzufügen. Auch in den übertrieben inszenierten Gewaltszenen funktionieren sie super. Die junge Tara Lynne Barr steht ihrem erfahrenen Konterpart in nichts nach und schafft es sogar ein paar der Dialoge völlig für sich zu gewinnen so gut und herrlich überdreht agiert sie in einigen Szenen.
Mit gleich drei Alice Cooper Songs und noch einigen anderen coolen Rocksongs, unter anderem auch vom Black Rebel Motorcycle Club macht auch der Soundtrack einiges her und macht Spaß.
8,3 von 10 furzende Schweine als Klingelton