Ustrinkata (Christoph Merian Verlag)
In einem beschaulichen schweizerischen Dörfchens muss die kleine Dorfpinte “Helvezia” schließen. Zum Abschied kommt der Stammtisch noch ein letztes mal zusammen um eine letzte sehr lange Nacht miteinander zu verbringen. Natürlich fließt viel Bier und Schnaps die Kehlen hinunter, zwischendurch gibt es noch ein Kaffee oder ein Wässerchen zum durchhalten. Dabei wird geredet. Mal wird dabei gelacht, mal wird es traurig und fast immer melancholisch. Man erinnert sich an bessere und schlechtere Zeiten, holt die ganz alten Anekdoten und Geschichten wieder heraus und lässt selbst alte Legenden wieder auferstehen, wie zum Beispiel der Steinsturz von 1927 nicht nur die Holzbrücke, sondern auch den alten Großvater mit sich riss. Ein feuchtfröhlicher Abend eben mit allen Höhen und Tiefen.
Stammtische sind meistens was ekliges. Alte Männer, die sich dreckige und entschieden unkorrekte Witze erzählen und nebenher die Bild Zeitung zitieren. Beides geht auch gerne mal fließend in sich über. Das siebenköpfige Trinkgelage in “Ustrinkata” ist da aber zum Glück etwas anders. Aber wie auch immer so ein Stammtisch sein mag, er ist doch meist die Essenz des Ortes und vereint die menschlichen Eigenschaften seiner Umgebung meistens sehr gut. Auch im Helvezia ist es nicht anders. Genau das lässt Arno Camenisch in seinem Kammerspiel heraushören, das vom Hörspielregisseur Geri Dillier fürs SRF als Mundart-Hörspiel adaptiert wurde.
Die sieben Charaktere kommen ein letztes mal zusammen und sie erzählen. Sie Erzählen von ihrem Leben und gemeinsamen Tagen und sie erzählen mit einer Inbrunst, als wäre es das letzte Mal. Und für einige von ihnen wird es wohl auch das letzte Mal sein, denn mit dem Stammtisch werden wohl auch Teile der losen Freundschaften sterben. Das Interessante an diesem Hörspiel ist, wie einfühlsam und charmant Camenisch den voyeuristischen Zuhörer in den Mikrokosmos der Trinker holt. Wir dürfen für 48 Minuten Teil ihrer Welt sein und erleben das Schöne und das Schlechte hautnah mit.
Innerhalb der Spielzeit verlassen wir die Kneipe zu keiner Zeit und abgesehen von ein paar Wettergeräuschen, einem angesteckten Zündhölzli und klappernden Löffeln, Tassen und Gläsern gibt es auch keine Hintergrundgeräusche. Bei der Musik hält man sich auch sehr vornehm zurück, weshalb die Gespräche in der Kneipe ganz alleine unterhalten müssen. Gelingt die meiste Zeit über auch ganz gut, ständig wechseln sich die Themen und die damit verbundenen Emotionen. Als Gruppe funktionieren die Sprecher ziemlich gut, wobei keiner von Ihnen heraus sticht und das Hörspiele eine sehr gleichmäßige Gruppenleistung darstellt. Zu bemängeln habe ich lediglich, dass die ganze Produktion etwas altbacken klingt. Alles macht einen etwas dumpfen und angestaubten Eindruck, was aber vermutlich auch ein wenig so gewollt ist. Schweizer Mundart ist natürlich nicht jedermanns Sache und es gibt hier durchaus ein paar Sätze bei denen man wirklich sehr genau hinhören muss wenn man sie nicht gewöhnt ist. Große Probleme hatte ich damit aber nicht. Interessantes Hörspiel, das ohne große Effekte und Tamtam auskommt. Etwas für einen ruhigen nachdenklichen Abend, für viele dann aber wohl doch zu belanglos, da man nur kleine Anektdoten mitverfolgt.
7 von 10 grüne Föne