Donnerstag, 19. September 2013

Hatsune Miku: Project DIVA F (PS3)

Hatsune Miku: Project DIVA F (PS3)

Miku und ihre Freunde treiben mittlerweile seit 2007 ihr Unwesen in der japanischen Populärkultur. Als Visualisierung zur Stimmsoftware Hatsune Miku erfreut sie sich großer Beliebtheit und wurde so zur Interpretin von über 100 000 Liedern, zu denen auch entsprechend viele Musikvideos entstanden sind. Da lag es natürlich nahe, ein Rhythmusspiel mit dem 16-jährigen Androiden auf den Markt zu bringen. Das erste eigene Spiel erschien bereits 2009, allerdings gab es bis dato keine westlichen Releases. Mit Project DIVA F entschied sich SEGA nun, die PS3-Variante des Vita-Titels Project DIVA ƒ auch in Europa und Nordamerika über das PSN zu veröffentlichen.

Ich will doch nur siiiiiiiiiingen!

Wie schon erwähnt handelt es sich bei dem Spiel um ein Rhythmusspiel. Eine wirkliche Geschichte sucht man hier vergebens, aber das ist gut und recht. Da gibt es andere Genres, die für's Storytelling eher bekannt sind.
Der Song Modus ist wohl der Kern des Spiels. Hier darf man zwischen den vier Schwierigkeitsgraden Easy, Normal, Hard und Extreme wählen. Hat man den gewählt darf man sich ein Lied aussuchen, das man spielen möchte. Wie bei den meisten Spielen dieser Art kommt es nun auf vernünftiges Timing an. Auf dem Bildschirm erscheinen die Symbole der Gamepad-Buttons, zudem noch dazugehörige Symbole, die irgendwo vom Bildschirmrand angeflogen kommen. Sobald sich die Symbole übereinander positioniert haben, muss der Spieler den entsprechenden Button drücken oder gedrückt halten. Sollte ein Stern auf dem Bildschirm erscheinen, handelt es sich um einen "Scratch". Der Spieler muss dann einen der beiden Analogsticks antippen. Alles keine Raketenwissenschaft. Ein kleiner Kniff ist, dass das D-Pad und die Buttons im Normalfall dieselbe Belegung aufweisen, X entspricht also auf dem D-Pad "unten" usw. Tauchen auf dem Bildschirm allerdings Pfeile auf, müssen die beiden Tasten, die sich entsprechen, gleichzeitig gedrückt werden. Ok, auch das ist keine Raketenwisschenschaft. Ich glaube auch nicht, dass ich irgendwas an dem Spiel finden werde, was dem gerecht werden würde...


Üben und Auswendiglernen

Ändert aber nichts daran, dass neun Buttons bzw. Buttonkombinationen einem einiges abverlangen können. Von daher ist es für Ungeübte wirklich klug, auf Easy einzusteigen. Schon hier ist es zu Beginn schwierig, einen Song auf Excellent zu spielen.
Sollte das Timing nicht hinhauen, kann man unter Optionen einen evtl. Inputlag ausgleichen. Hat man Easy vollständig gemeistert, hat man letztlich auch alle Lieder freigespielt, die für das Rhythm Game zu haben sind.
Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl für die Lieder, kann sukzessive die eigenen Rekorde verbessern und sich an den nächsten Schwierigkeitsgrad wagen. Aber allein der Sprung von Easy auf Normal lässt einen erstmal aus allen Wolken fallen. Nicht anders sieht es mit den nächsten Schwierigkeitsgraden aus. Jedes mal, wenn man meinte, das Spiel fett bezwungen zu haben, wird man eines besseren belehrt.
In den meisten Fällen macht das wirklich süchtig. Bei einigen Songs sind die Buttonabfragen äußerst abstrus gesetzt, so dass man sich eigentlich gar nicht an der Musik oder am Gesang orientieren kann, sondern schlichtweg auswendig lernen muss. Macht das Lied natürlich zu einer Herausforderung, aber leider nicht so recht im Sinne eines Rhythmusspiels.
Erschwerend zur immer komplexer werdenden Abfrage, kommen oftmals die quietschbunten und schnell geschnittenen Videos hinzu. Bis man da teilweise die Symbole überhaupt gefunden hat, um das richtige Timing abschätzen zu können, ist es gerne mal zu spät.

Ist das noch ein Ohrwurm oder schon Körperverletzung?

Die Songs werden neben Miku noch von Kagamine Rin, Kagamine Len, Megurine Luka, Kaito und Meiko interpretiert. Die Lieder stammen allerdings von einer recht großen Anzahl an unterschiedlichen Künstlern, so dass auch der Stil recht vielfältig ausfällt. Natürlich rangiert alles im Großraum J-Pop, aber es fließen teils grundverschiedene Genres mit in die Kompositionen ein.
Dadurch finden auch weniger J-Pop-affine Menschen wie meiner einer relativ guten Zugang zur Mucke und ein paar der Lieder sind derart fetzig und eingängig, dass man noch Stunden nach dem Spielen davon gut hat, wie z.B. World's End Umbrella und DYE. Es finden sich allerdings auch Lieder wie Sadistic.Music∞Factory, die sich meinem Musikverständnis etwas entziehen und bei denen auch die synthetischen Stimmen eher weniger filigran bearbeitet wurden.


Mit Porree wider der schlechten Laune

Jedes Mal, wenn man sich erfolgreich durch einen Song durchgedrückt hat, bekommt man DIVA Points. Diese Punkte sind für mehrere Sachen gut. Im Song Modus kann man sich mit den DIVA Points Modifikatoren kaufen, die einem das Spiel entweder erleichtern oder erschweren. Für jeden Song kann man sich entscheiden, ob man zwar leichter spielt, am Ende aber weniger Punkte erwirtschaftet oder umgekehrt. Auf diese Weise kann man zum Teil das Vierfache an Punkten erlangen. Aber was soll man mit den ganzen Punkten überhaupt sonst noch anfangen?
Das Spiel bietet reichhaltige Shoppingmöglichkeiten. Im Shop können neben ganzen Modulen für die Interpreten auch Accessoires gekauft werden. Die Klamottensets und der Kleinschiet können den Vocaloids in den Videos angezogen bzw. in die Hand gegeben werden. Dann wird halt im Abendkleid mit Porree in der Hand, Kochmütze auf'm Kopp, Hornbrille auf der Nase und Katzenschwanz am Hintern gerockt. Symbolismus, Penner!

Und was ist, wenn nicht gesungen wird?

Neben den Dingen, die konkret zur Ausstattung der Charaktere gereichen, gibt es im Shop auch Unmengen an Geschenken und Einrichtungsgegenständen zu kaufen. Der Spielmodus Diva Room ermöglicht es, Zeit mit den Charakteren zu verbringen, wenn sie gerade mal keine Show bieten müssen. Jeder Interpret hat einen eigenen Raum, den man nach einem bestimmten Thema oder nach eigenem Gutdünken einrichten kann. Neben den üblichen und unspektakulären Sachen wie Tischen, Stühlen und Betten gibt es auch ein paar Gagdets, mit denen man interagieren kann. Das kann z.B. eine Eieruhr sein oder auch die Arcade-Version von Project DIVA. Spielt man auf dem Automaten darf man auf Highscore-Jagd gehen, indem man mit Hachune Miku, einer Art Karikatur Hatsune Mikus, auf die Credits schießt und heranfliegende Buchstaben abschießt. Knuffig.
Desweiteren kann man den Figuren Geschenke machen. Dabei kann es sich um Essen, Trinken, Spielzeug oder auch Blumen handeln. Jeder hat da seine eigenen Präferenzen. Mit jeder geglückten Überraschung steigt das Affinitätslevel. Dieses kann auch durch ein bisschen Tätscheln auf den Kopf erreicht werden. Dazu muss der Spieler einfach nur X halten und den Analogstick kreisen lassen. Aber nicht zu lange, sonst wird's eigenartig!
Tätschelt man auf genau die richtige Art und Weise, wird man zu einem Spiel "Made you look" eingeladen. Dabei handelt es sich um eine Kombination von Stein, Schere, Papier und einem Ratespiel, bei dem man raten muss, wohin das Gegenüber schauen wird. Das kann für etwa fünf Minuten unterhalten, verliert dann aber schnell seinen Reiz.

Insgesamt sind die Diva Rooms nett gedacht und die Reaktionen der Charaktere auf manche Geschenke bzw. die Aktionen, die durch ein Geschenk ausgelöst werden, sind oftmals putzig und süß anzuschauen. Doch auf Dauer kann das Ganze kaum begeistern, gerade weil außer "Made you look" keine weiteren Minigames auftauchen und das maximale Affinitätslevel (Level 6) sehr schnell erreicht ist.

Ich kann viel bessere Videos machen!

Sollte einem ein Video zu einem Song nicht gefallen, bietet Project DIVA F dem Spieler einen eigenen Video-Editor an. Hier wird einem absolut freie Hand gelassen, welches der Lieder man neu visualisieren möchte. Man kann entscheiden, wer zu sehen sein soll, wie die Person/die Personen sich bewegen sollen und wo sie das tun. Zudem sind Kamerawinkel zu bestimmen usw. .
Das Wichtigste ist jedoch die Möglichkeit, die Buttonabfrage zu konfigurieren. Dabei ist es einem freigestellt, ob man sich da an die Musik, den Gesang oder einfach an gar nichts hält. Man kann jederzeit einen Testlauf wagen, um zu sehen, ob das, was man da gezaubert hat, auch überhaupt noch spielbar ist.
Sollte man mit seiner Kreation zufrieden sein, besteht auch die Option, den veränderten Datensatz ins Netz und anderen zur Verfügung zu stellen.
Der Editor ist insgesamt etwas gewöhnungsbedürftig und der Anreiz und das Interesse, eigene Videos zu erstellen, war bei mir unglücklicherweise über den Test hinaus nicht wirklich gegeben. Miku-Fans dürften hier jedoch eine Quelle ewiger Freude finden. Gerade die Tauschoption ist da sicherlich ein ganz besonderes Schmankerl.

Miku Live!

Neben Rhythm Game, Shop und Editor gibt es auch noch den Live Stage Mode. In diesem Modus kann man sich "Live" Performances anschauen. Dabei darf man immer auch ein wenig mit den Kameras herumspielen und so das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Leider sind die Shows an sich sehr langweilig geraten, so dass es weitaus mehr Spaß macht, sich die "normalen" Videos anzuschauen als die in diesem Modus.
Erwähnenswert ist jedoch, dass hier vier Lieder freigeschaltet werden können, die sonst im restlichen Spiel nicht zur Verfügung stehen, was die Gesamtzahl der Lieder auf 44 erhöht.

Freispielen ≠ DLC

Wirklich zugutehalten muss man dem Spiel, dass man fast nach jedem Erfolg im Rhythm Game mit einer Liste an freigespielten Inhalten erfreut wird. Da sind dann Shop-Items darunter, neue Lieder oder auch Ladebildschirme. Ja, genau. Ladebildschirme. Davon gibt es Unmengen, so dass man da immer wieder was anderes sieht. Klingt im ersten Moment vielleicht etwas unspektakulär, ist aber auch aufgrund der Qualität der Zeichnungen recht erbaulich.
Zudem bekommt man hier anscheinend gleich das gesamte Spiel und kann sich sogar noch selber Inhalt zusammenbasteln, was heute einfach keine Selbstverständlichkeit ist.

Hatsune Miku: Project DIVA F hat mich aufgrund der Kuriosität, die Mikus Figur für mich immer noch besitzt, interessiert. Dieses Interesse hat mich in Bezug auf das Spiel nicht fehlgeleitet, denn auf diesem Wege habe ich ein gutes Rhythmusspiel kennengelernt. Die Zusatzfunktionen wie der Diva Room oder der Shop erschöpfen sich leider recht schnell, doch die Highscore-Jagd bei den Songs kann wirklich eine Weile fesseln. Zudem bekommt man - sofern man überhaupt dazu kommt - teils super gemachte Videos zu sehen und Songs zu hören. Was mich persönlich ein wenig stört, ist, dass es keine Übersetzungen zu den Liedern gibt. Japanisch ist bisher noch nicht in mein Sprachrepertoire aufgenommen worden. Bedauerlicherweise.
Der Editor findet sicherlich seine Abnehmer und für Japan-affine Menschen ist das Spiel sowieso ein Muss.

7,5 von 10 Karaoke-Stars