Star Trek: Into Darkness (2013)
Die Föderation leckt sich immer noch die Wunden, die sie vom Angriff Neros davongetragen hat. Die Zerstörung Vulcans hat den Planetenverbund schwer getroffen. Da wird ein Bombenanschlag auf der Erde verübt. Schnell ist ein Schuldiger gefunden, doch diesmal scheint der Täter aus den eigenen Reihen zu kommen. John Harrison (Benedict Cumberbatch) existierte aber bis vor einem Jahr noch nicht. Captain Kirk (Chris Pine) und seine Crew begeben sich bei der Verfolgung in weitaus größere Gefahr als zu erwarten. Zum einen weil Harrison ein grausames Relikt der Vergangenheit ist und zum anderen weil die Sternenflotte von Kräften vereinnahmt wurde, die drohen, die Grundfesten der Föderation zu zerstören...
Ich glaube zwar kaum, dass ich hier jemanden die Freude am Film nehmen könnte, aber dennoch warne ich davor, dass ich in der Besprechung den ganzen Film besprechen werde, demnach also auch spoilere!
Nachdem ich durch Star Trek wieder geiler auf das Franchise geworden bin, habe ich mich wirklich sehr auf den zweiten Teil des Reboots gefreut. Die Möglichkeiten, die sich mit der neuen Zeitlinie eröffnen, sind in Verbindung mit dem umfangreichen Star Trek-Universum sehr vielfältig. Ein guter Nährboden für neue und kreative Geschichten, die Kirk und Co. so noch nicht erlebt haben. Aber schon der Teaser zum Film und auch der erste Comicband der neuen Zeit lehrte mich, diese fixe Idee von neuen Geschichten zu begraben. Diese Gewissheit war von vornherein ein gewaltiger Dämpfer und ließ mich dem Kinobesuch doch etwas weniger enthusiastisch entgegenschauen.
Umso erstaunter war ich, dass ich nach einer halben Stunde feststellen musste, dass ich mich gut unterhalten fühlte und auch als Trekkie irgendwie gar nicht mal so angepisst war. Natürlich war die Sache mit dem Bruch der Ersten Direktive verdammt unangenehm, weil es als lustig dargestellt wird, dass eine Spezies zwar vor dem Untergang bewahrt, aber deren bisheriger Glaube bzw. ihre Kultur "zerstört" wurde. Aber es bietet einen zackigen, dramatischen Einstieg in den Film. Zudem wird Grundlage für recht schöne Konflikte zwischen Spock und Uhura und Spock und Kirk geschaffen. So rasant ging es bisher nur am Anfang von Star Trek V zu.
Bei Spock und Uhura geht es natürlich darum, ob Spock überhaupt fähig ist, Uhura gegenüber zu fühlen und das auch zu zeigen. Das ist zu Teilen durchaus schnulzig, funktioniert für mich aber ganz ordentlich.
Der Konflikt Spock/Kirk bezieht sich auf ihre verschiedenen Arbeitsweisen und -auffassungen und welcher dazu führt, dass Kirk das Kommando über die Enterprise verliert. Und dabei hätte es doch möglicherweise auf die erste Fünf-Jahres-Mission gehen sollen. Damnit.
Die Charaktere haben also auch untereinander deftige Fetzereien, aber so richtig fetzig wird's ja erst, wenn Mickey...äh...Thomas Harewood (Noel Clarke) auf Geheiß Harrisons eine Niederlassung der Sektion 31 hochjagt. Die Einführung des Antagonisten läuft erstmal unter falschem Namen, um die Leute, die es nicht wahrhaben wollen, in Sicherheit zu wiegen, dass es sich nicht um Khan handelt. Ich beneide die Leute, die Star Trek II oder die Raumschiff Enterprise-Folge nie gesehen haben. Einerseits darum, dass sie nicht vergleichen können, andererseits aber nicht darum, dass sie so gut wie nicht erklärt bekommen, was überhaupt in Khans Vergangenheit abging. Es werden wenig Informationen gegeben, was dem Charakter eine Handbreit Tiefe verwehrt.
Generell kann man Bendedict Cumberbatch jedoch nicht vorhalten, einen schlechten Khan abzuliefern. Etwas mehr Fokus auf die Physik des Charakters, weniger Lyrik, aber dafür eine Eiseskälte, die Cumberbatch aber eh in seinem Blick mit sich trägt. Khan als manipulativer Einzelgänger, der alles versucht, um seine Crew wieder zu befreien, ist soweit keine Überraschung oder gar neu, jedoch wird er in Into Darkness von einer weiteren Macht instrumentalisiert. Seine Wut und die tiefe Verbundenheit mit seinen genmanipulierten Kollegen und Kolleginnen kommt so noch mal auf etwas andere Weise zum Ausdruck wie zuvor.
Leider wird der sonst starke Eindruck des Charakters etwas durch die Umstände seines Tuns geschmälert. Der gute Admiral Marcus (Peter Weller), Vater von Carol Marcus (Alice Eve), hat Khan und seine Leute eingesammelt und wollte sie für seine sinistren Zwecke nutzen. Khan spurt nicht und versucht mit aller Gewalt, seine Leute aus den Fängen der Sternenflotte zu bekommen. Diese Konzentration auf die eigene Crew nimmt ihm etwas die Gefahr, weil seine Bemühungen so beschränkt erscheinen. Dass sein Ziel in den Eugenischen Kriegen die Unterjochung der Erde gewesen und jetzt auch immer noch ist, rückt da irgendwie sehr in den Hintergrund und ordnet Khan Marcus unter, dessen Bestrebungen die Militarisierung der Sternenflotte voranbringen und Xenophobie schüren soll. Marcus benutzt Khan und die Crew der Enterprise, um einen Krieg mit den Klingonen zu entfachen, was in der Gesamtsituation eine viel größere Bedrohung darstellt.
Das wird hier gerade alles sehr wirr. Denn, wenn ich jetzt schon bei den Klingonen bin, komme ich zu den ersten richtigen Aufregern meinerseits. Die Transwarp-Karte wird bei Khans Flucht von der Erde wieder gezogen, wie ich hier bereits ankündigte. Auch in Into Darkness wirkt der Transwarpbeam - der diesmal sogar in einer transportablen Transportereinheit funktioniert - wie das Kaugummi, das zwei Ideen für die Geschichte zumindest für kurze Zeit zusammenhält, bis keiner mehr hinguckt. Irgendwie doof, dass man keine vernünftige Möglichkeit gefunden hat, Khan mit den Klingonen in Verbindung zu bringen. Gerade weil es ja sogar eine Verbindung gibt, die Khan innerhalb des Jahres, seit er aus dem Kälteschlaf erwachte, sicherlich in den Datenbanken der Sektion 31 hätte finden können. Doctor Phlox half hundert Jahre zuvor den Klingonen eine Epidemie einzudämmen, die die Klingonen entstellte und durch Experimente mit Genmaterial aus den Eugenischen Kriegen entstand.
Und wenn ich von entstellten Klingonen schreibe, dann frage ich mich, was mit dem alten Klingonendesign falsch war, dass man sie nun so poliert zeigen muss. Wobei man auch hier eine Verbindung zu Star Trek I ziehen kann. Zumindest sind die Plateauschuhe à la Kiss passé und die Uniformen inklusive Helm machen was her.
Genug des Nörgelns über Kleinigkeiten. Ein Blick auf Admiral 'RoboCop' Marcus. Peter Weller verkörpert im Film einen Admiral, der zum einen Khan nutzen wollte, um den Fehler der Vergangenheit nochmal zu machen und weitere Supermänner und Superfrauen zu produzieren, und zum anderen einen Krieg zwischen Föderation und Klingonen entfachen möchte, damit die Leute sehen, wie gefährlich das Universum wirklich ist.
Im Grunde ein ganz solider Charakter, der an der heilen Fassade der Föderation kratzt. Wird man sich allerdings gewahr, dass Peter Weller einen sehr ähnlichen Charakter bereits in Star Trek: Enterprise spielte, wirkt es schon wieder sehr aufgewärmt. Vor allem, weil Weller exakt den gleichen Charakter spielt. Da mögen Unterschiede im Drehbuch festgehalten worden sein, aber sein Spiel zeigt diese nicht.
Die Geschichte kann also darauf heruntergebrochen werden, dass ein Bösewicht einen Terroristen "produziert", diesen verfolgen lässt und damit einen Grund zum Krieg heraufbeschwören will. Ob da Parallelen zu gewissen Ereignissen der näheren Vergangenheit gezogen werden sollen, bleibt offen. Allerdings wird Kirk mit seiner Crew zu einem Spielball zwischen Marcus und Khan. Leider verkommt der Blondschopf im Zuge dessen zu einem unwissenden, rachedürstenden Patrioten, der unüberlegt Befehle befolgt und somit fast eine Katastrophe erzeugt. Günstigerweise erfolgt aber eine Analyse der Situation und somit auch ein Umdenken bezüglich des Feindbilds.
Im Zuge dessen bekommt man allerhand schicke Action zu sehen, von der man sogar aufgrund der minimal zurückgeschraubten Lensflare-Effekte auch etwas mitbekommt. Der Flug mit dem Händlerschiff auf Qo'noS schockt und sieht top aus. Ebenso Kirks und Khans Sprung zur Vengeance und der Absturz des Schiffes können sich absolut sehen lassen. Das Tempo und die Optik stimmen und auch die Menge an Krachbumm kann überzeugen.
Nach etwa 90 Minuten im Film kommt der Gedanke auf, dass Abrams und Co. es - entgegen allen Vermutungen - geschafft haben, eine alte Geschichte neu und vor allem fesselnd zu erzählen und peinliche Anleihen zu vermeiden. Kaum ist dieser Gedanke entstanden, wird er von einem auf 'Töten' gestellten Phaser getroffen und vaporisiert.
Die letzte halbe Stunde des Machwerks ist nur noch ein langgezogenes Zitat, welches beinhaltet, dass einer der prägendsten Star Trek-Momente durch andere Rollenverteilung, furchtbare Erzwungenheit und miese darstellerische Umsetzung verschandelt wird.
Auch wenn man Star Trek II nie selber gesehen hat, werden die meisten Menschen, die auch nur ein bisschen Populärkultur der letzten drei Jahrzehnte aufgeschnappt haben, dem shatnerischen Ausbruch "Khaaaaaaaaaan" bereits einmal begegnet sein. Umso befremdlicher wirkt es im Film, dass der Ruf nun aus Quinto als Spock herausquillt. Nicht nur, weil dieses Gefühl, dass hier irgendetwas nicht richtig ist, herrscht, sondern auch, weil die Situation einfach nicht relevant erscheint. Der Film konnte zuvor keine Stimmung der Unberechenbarkeit erzeugen, so dass Kirks Tod von Anfang an nur als temporär anzusehen ist. Kirk wird nicht sterben, allein schon, weil bekannt ist, dass die Schauspieler Verträge über drei Filme abgeschlossen haben.
Die Dramatik wie damals zu Star Trek II kann nicht erzeugt werden. Auch wenn zum Schluss des Films die Andeutung mit der leeren Torpedohülle gemacht wurde, waren die Gerüchte um einen Ausstieg Nimoys und damit auch dem "permanenten Tod" Spocks damals zu groß, um den Moment nicht gewichtig erscheinen zu lassen.
Das geht bei Into Darkness einfach komplett flöten, so dass ich einige Haare lassen musste, um den Rest des Films zu ertragen. Nach diesem Khan-Schock kann zwar der Absturz der Vengeance und die anschließende Verfolgung Khans über die "Dächer" San Franciscos optisch noch was reißen, aber mich als emotionales Wesen hat der Film hier schon längst verloren. Der Sieg über Khan verpufft einfach so.
Star Trek: Into Darkness macht dafür, dass die Grundprämisse nicht die beste ist, verdammt viel richtig. Es wurde weitaus mehr aus dem bekannten Material rausgeholt, als ich es für möglich gehalten habe. Der Film macht einfach Spaß und unterhält super. Zumindest bis zu dieser schicksalhaften "Wendung"; dieser Entscheidung, die eigene, neue Duftnote mit altbewährtem 4711 zu mischen und so etwas zusammenzupanschen, aus dem zwar noch die Bestandteile zu erschnuppern sind, aber was sich insgesamt an der Grenze zur Geruchsbelästigung bewegt.
6 von 10 klingelnde Whiskey-Gläser